07.12.2025 – 2. Advent

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Lk 21, 25-33 Jes 11, 1-10 Röm 15, 4-9 Mt 3, 1-12

Eine besinnliche Adventszeit!

Aber was heißt „besinnlich“? Gemütlich, vorweihnachtlich – oder „zur Besinnung kommend“, zum Nachdenken anregend über sich selbst und Gott und die Welt, als Vorbereitung auf das Kommen Gottes zur Welt? Das christliche Kirchenjahr vertritt die zweite Variante. Wer sich darauf einlassen will, muss aber ungemütlich werden. Viele Menschen sind von den vielen schlechten Nachrichten in der Welt schon so bedrückt, dass sie die lieber ignorieren und, auch im Gottesdienst, eher die „heile Welt“ suchen. Im Sinne des ursprünglichen Gedankens der Adventszeit müsste man aber predigen: die heile Welt kommt, Gott bringt sie mit sich – aber im Vorfeld erwartet er, dass wir uns ändern, ihm den Weg bereiten. –

Im katholischen Kirchenjahr ist das Evangelium der Bericht vom Auftreten des Täufers, wie er bei Matthäus überliefert ist (Mt 3,1-11). Johannes erscheint in zweierlei Hinsicht als personifizierter Einspruch gegen gemütliche Gewohnheiten: als Bewohner der Wüste tritt er auf gegen die moralische Verkommenheit der Zivilisation. In der deutschen Naturromantik steht der märchenhafte Wald gegen Technik und Planung, in der heutigen Spiritualität beziehen sich manche Menschen auf (angeblich) keltische Traditionen gegen ein naturvergessenes Christentum. Oder wieder andere stehen auf den „edlen Wilden“, der weiser ist als die geldgierige westliche Zivilisation. Da erscheint der Wüstenbewohner Johannes weniger romantisch – aber bei seinen damaligen jüdischen Zuhörer*innen hat auch er die Erinnerung an (vermeintlich) gute alte Zeiten geweckt: nämlich Wüstenwanderung, vor dem Eintritt ins Land Kanaan, wo Gott seinem Volk ganz nah war in Wolken- und Feuersäule. Für die Prediger*in also eine Aufgabe, nicht in romantischen, zivilisationskritischen Kitsch abzugleiten.

Das zweite „Dagegen!“ beim Täufer in den Evangelien ist: er wird in die Tradition der Gerichtspredigt der Propheten gestellt. Nicht nur, dass schon sein Auftreten an den Propheten Elia erinnert und die prophetischen Schriften ihn angekündigt haben; er selbst predigt den Leuten auch ziemlich heftig. Was würde er uns heute sagen – nicht nur den anderen, sondern auch mir? Wenn der Johannes von damals auf der heutigen Kanzel wäre, dann würde er sich wohl nicht mit Plattitüden begnügen, sondern radikale Umkehr fordern!

Der kritische Prophet Johannes richtet sich auch gegen eine zu große Inanspruchnahme der Heilstradition. Damals hieß das: es genügt nicht, Abraham zum Vorfahren zu haben, dem Gott Segen versprochen hat. Und heute? Extrem Biblizistische berufen sich auf „solange die Erde steht…“, um die drohende Klimakatastrophe zu leugnen. Da kann man als nachhaltige*r Prediger*in leicht dagegen sein. Aber müssten wir nicht selbst die christlichen Verheißungen einer neuen Erde auf den Prüfstand stellen? Johannes könnte heute sagen, und da stimmen ihm sicher viele zu: „Gott braucht euch Menschen nicht für eine heile Welt!“

In der evangelischen Perikopenordnung wird Lk 21,25-33 als Predigttext vorgeschlagen – aus den Endzeitreden Jesu. Die apokalyptischen Ankündigungen des Textes fordern auf, zwischen zwei Extremen zu navigieren: wenn man sie zu wörtlich nimmt („das Brausen des Meeres im Text weist auf den Meeresspiegel hin, der durch den Klimawandel ansteigt“) wird es lächerlich; wenn man die Apokalyptik existenziell weginterpretiert („wir alle machen uns ja immer irgendwie Sorgen, weil sich alles so schnell ändert“), wird es am Ende zu gemütlich. Die Menschen zur Zeit Jesu bzw. der frühen christlichen Gemeinden hatten ihre konkreten Befürchtungen (Verfolgungen, politische Veränderungen), und wir haben unsere - und dazu gehören Umwelt- und Klimakrise dazu. Die Welt, wie Menschen sie bisher gekannt haben, droht unterzugehen – das ist den apokalyptischen Ängsten aller Zeiten gemeinsam. Wobei wir heute wissen: es gibt Menschen, die wollen die (Warn-)Zeichen der Zeit (z.B. angesichts der globalen Erhitzung) nicht erkennen, auf gar keinen Fall, sie wollen unbedingt weiterleben wie bisher; apokalyptisch kommen ihnen eher alle Zumutungen vor, ihr bisheriges Leben zu ändern. Kann man diesen Menschen am Ende doch die Zeichen der Zeit durch wiederholtes Aufzählen nahebringen, oder ist das nutzlos?

Wir gehen wir aber heute mit dem „Menschensohn“ um? In den ersten Jahrhunderten n.Chr. stand er dafür, dass Gott der Herr der Geschichte ist, auch wenn wir es (noch) nicht sehen; und sein Gesandter steht ein für wahre Menschlichkeit im Gegensatz zu der „tierischen“ Gewalt der Weltreiche (vgl. die Menschensohn-Passagen im Daniel und im äthiopischen Henochbuch). Können wir es heute so verstehen: Jesus Christus, Gottes Sohn und „Menschensohn“, wird uns helfen, echte Menschen zu werden? Human zu den Mitmenschen und nicht mehr im zerstörerischen Gegensatz zur Natur?

Das Gleichnis vom Feigenbaum (V. 29ff.) vergleicht die apokalyptischen Katastrophen, die sich beobachten lassen (werden), mit einem idyllischen natürlichen Vorgang und lässt diese Katastrophen dadurch berechenbar, letztlich auch harmloser erscheinen. Das ist für diejenigen, die vor Angst vergehen, ein guter therapeutischer Ansatz – angesichts derer, die eher die Zeichen verdrängen (Klimawandelskeptiker), aber unangebracht. Das Gleichnis vom Feigenbaum sollte nicht dazu benutzt werden, dass die Predigt zu „gemütlich“ wird.

Eine besinnliche Adventszeit – im besten Sine des Wortes!

Michael Böttcher, Dreihausen-Heskem