03.04.2025 – Karfreitag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
2 Kor 5,(14b-18)19-21 Jes 52,13 – 53,12 Hebr 4,14–16; 5,7–9 Joh 18,1 – 19,42

Vorbemerkung

Früher war der Karfreitag der höchste protestantische Feiertag, ein stiller, trauriger Tag. Die Gottesdienste waren immer sehr gut besucht. Mittlerweile hat sich das, meiner Erfahrung nach, jedoch völlig verändert. Viele tun sich schwer mit der Passionszeit, die mit ihrer Thematik so gar nicht zu unseren anderen Gefühlen im Frühjahr passen will, der Freude über das Wiedererwachen der Natur und der Aufbruchsstimmung. Ganz abgesehen von den meisten alten Passionsliedern, die auch noch eine Theologie transportieren, die ich überhaupt nicht mehr vertreten kann. Außerdem gibt es leider nur noch sehr wenige Menschen, die bereit sind, den ganzen beeindruckenden Spannungsbogen von Gründonnerstag bis Ostersonntag hinweg mit zu erfahren, sondern die meisten wählen einen Gottesdienst aus dem reichen Angebot aus, der zeitlich für sie passend ist.

Im Prinzip sollte ja auch in jedem unserer Gottesdienste dieser Spannungsbogen vom Tod zum Leben enthalten sein. Wir können doch Jesu Leidensweg gar nicht verstehen, ohne an Ostern zu denken. Es geht letztendlich immer um die Hoffnung, die auch im tiefsten Leid lebendig bleibt.

2 Kor 5,(14b-18)19-21

Predigtimpulse

Versöhnung ist ein großes Wort, finde ich. Und es springt mich direkt an, wenn ich diesen Text lese. Versöhnung ist etwas sehr Wichtiges. Wenn wir uneinig sind mit Menschen, die für uns von Bedeutung sind, dann sehnen wir uns danach, uns mit ihnen zu versöhnen. Manchmal sind wir mit uns selbst nicht im Reinen und spüren, dass wir so etwas wie Versöhnung mit uns selbst nötig hätten. Und wenn wir sie erleben, eine Versöhnung zwischen Menschen, dann ist das eine beeindruckende Erfahrung, die wir so schnell nicht wieder vergessen.

Paulus, der selbst die Erfahrung gemacht hat, dass ihn gerade in Korinth nicht alle akzeptieren, will in diesem Brief sein gespanntes Verhältnis zur Gemeinde in Korinth wieder in Ordnung bringen. Er betont dabei, wie wichtig es ist, sich gegenseitig zu verzeihen und miteinander in Frieden zu leben. Paulus versucht zu erklären, dass Gott in Christus die Welt mit sich selbst versöhnte. Gott rechnet den Menschen die Sünden nicht zu. Gott selbst ist aktiv, Gott braucht kein Opfer, sondern schenkt die Versöhnung und hebt das Trennende auf. Paulus dachte bei den Sünden weniger an einzelne Vergehen als an die Tatsache, dass wir Menschen uns immer wieder als Herren über Leben und Tod aufspielen und wenig Vertrauen in Gott setzen. Jesus Christus vertraute Gott vollkommen, vertraute sich Gott an bis zur Gottverlassenheit am Kreuz, blieb bei Gott in seiner Angst. So konnte Gott bei ihm sein und die Angst und die Macht des Todes überwinden. Karfreitag und Ostern gehören für Paulus untrennbar zusammen und in diesem  Zusammenhang liegt für Paulus das Geheimnis der Versöhnung. Diese Versöhnung ist uns geschenkt!

Bezug zur Nachhaltigkeit

Unsere Aufgabe ist es, das Wort der Versöhnung weiter zu sagen, als Christinnen und Christen, als Gemeinde, als Kirche. Lasst euch versöhnen mit Gott! Lebt als versöhnte Menschen, befreit von der Angst, allein euer Schicksal bestimmen zu müssen. Um auf andere zugehen zu können, braucht es zuerst sozusagen einen Schritt zurück. Sich selbst zurücknehmen, ohne die Angst, zu kurz zu kommen, weil ich geliebt bin, weil ich bei Gott aufgehoben bin. Weil ich bei Gott schon zu meinem Recht gekommen bin, weil ich schon aufgerichtet und angesehen bin.

Als Willy Brand damals in Warschau seinen berühmten Kniefall gemacht hat und damit Deutschlands Schuld an den vielen Opfern des 2. Weltkriegs öffentlich eingestand, haben viele Deutsche diese Demutsgeste als falschen Schritt kritisiert. Es hat sich aber im Nachhinein gezeigt, dass dadurch Versöhnung mit den Ländern im Osten möglich wurde.

Solch ein Schritt zurück kann auch der Weg sein, den wir in unserer Gesellschaft gehen müssen, damit Alteingesessene und neu dazu Kommende, nicht unversöhnlich nebeneinander her leben müssen. Wir brauchen keine Angst zu haben, zu kurz zu kommen, weil wir Menschen in unserem Land aufnehmen, die auf der Flucht sind. Wir haben doch immer noch mehr als genug zum Leben. Ein Schritt zurück kann in unseren Zeiten globaler Krisen bedeuten, dass nicht immer nur der höchste Profit errungen werden muss. Und dass Lebensqualität nicht dadurch erreicht zu werden braucht, dass wir immer mehr haben, alles immer höher, immer weiter, immer größer wird. Wer versöhnt ist mit Gott, braucht vor solch einem  Schritt zurück keine Angst zu haben. Wer Gott vertraut, sich ganz in Gott geborgen weiß, braucht im Leben und im Sterben keine Angst zu haben.

Jes 52,13 – 53,12

Predigtimpulse

Das sind doch Worte, die wie für Karfreitag gemacht sind.

Als dieser prophetische Text aus dem Jesajabuch entstand, da hofften die Menschen, dass sich entweder am Leiden eines Einzelnen, des Messias, oder auch am Leiden des ganzen Volkes Israel zeigen würde, dass Gott da ist, dass Gott mitleidet.

Viel später haben dann Christinnen und Christen diese Worte auf Jesus Christus bezogen. Von Jesus konnte der Verfasser der prophetischen Texte im Jesajabuch 400 Jahre vorher natürlich noch nichts ahnen.

Aber wir legen das heute so aus, dass wir sagen: Für uns wurde in Jesus Christus sichtbar, was der Prophet Jesaja hier meint. Wir glauben schließlich, dass sich im Leiden Jesu und in seinem Sterben am Kreuz zeigt, dass Gott bei uns sein will, wenn wir leiden. Da wird der sehnsüchtige Wunsch erfüllt, nicht allein gelassen zu werden. Gott ist da, wenn es uns schlecht geht. Gott lässt uns nicht allein, darauf dürfen wir vertrauen. Das ist es, was das Kreuz uns sagen will.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Unsere Welt ist voll von Leiden. Und wir erfahren täglich davon - mehr denn je. Wir sehen sie ständig, die Bilder von Menschen, die gequält und misshandelt werden, von Menschen, die hungern oder unter Krieg und Terror leiden. Wir sehen Bilder von Naturkatastrophen und sind schockiert, wie hilflos wir Menschen solchen Naturgewalten ausgeliefert sind. Wir sehen Bilder von zerstörter Natur und von leidenden Tieren. Und wir erleben es im eigenen Umfeld, wie Menschen von Krankheit und Tod gezeichnet sind. In jeder leidenden Kreatur können wir das Gesicht der leidenden Gestalt aus dem Jesajabuch und das Gesicht des leidenden Christus am Kreuz wieder erkennen. Und damit hoffen auf Gottes Beistand im Leiden. Zu wissen, dass Gott uns nicht allein lässt mit unserem Kummer und unserem Leid, das kann uns Mut zum Leben geben. Das kann uns helfen, mit Leid umzugehen, es nicht künstlich auszusparen, sondern damit leben zu lernen. Das Kreuz ist und bleibt die Wende, durch die aus der Sackgasse von Leiden, Gewalt und Tod ein Weg ins Leben werden kann. Darauf wollen wir hoffen und vertrauen

Hebr 4,14–16; 5,7–9

Predigtimpulse

Vermutlich haben diese Bilder vom Hohenpriester und von Gott auf einem königlichen Thron den Menschen, an die sich diese Predigten damals gerichtet haben, mehr gesagt als uns heute hier in Deutschland.

Vielleicht hat es ihnen gut getan, sich Gott auf dem königlichen Thron vorzustellen, wie ein König oder eine Königin, und doch ganz anders als die ihnen bekannten menschlichen Herrscher, die oft grausam  und willkürlich regiert haben. Und Jesus dann eben auch anders als manche der religiösen Würdenträger, die sie vielleicht erlebt haben, die ihr Amt missbraucht haben, um Macht über sie auszuüben.

Was wir aber genauso brauchen wie die Menschen damals, ist die Ermutigung, am Bekenntnis festzuhalten. Da unterscheiden wir uns gar nicht so sehr von den Menschen, für die dieser Text geschrieben wurde. Manchmal geraten wir stark ins Wanken und wissen nicht mehr, woran wir uns halten sollen. Es gibt so viele unterschiedliche Meinungen. Überall werden uns Angebote gemacht, wie wir die Welt mit all ihren Problemen deuten sollen. Das ist manchmal sehr verwirrend.

Ist es nur ein Zufall, dass hier überhaupt keine Aussage darüber gemacht wird, an welchem Bekenntnis wir denn genau festhalten sollen? Im ganzen vierten Kapitel wird über den Inhalt des Bekenntnisses kein Wort verloren.

Was ist eigentlich unser Bekenntnis?

Wir gehören durch unsere Taufe alle zur christlichen Kirche. Das verbindet uns - auch über alle verschiedenen und manchmal sogar gegensätzlichen Überzeugungen hinaus. Die meisten von uns haben irgendwie eine diffuse Vorstellung davon, welche Werte und Ideale es sind, an denen wir als Christinnen und Christen festhalten sollten.

Manchmal wissen wir aber doch gar nicht so recht, welches der richtige Weg ist, welche Lösung eines Problems tatsächlich zum Guten führt, dem Frieden und der Gerechtigkeit dient. Es gibt immer wieder Situationen im Leben, da werden unsere Grundüberzeugungen ganz schön in Frage gestellt.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Auch im Alltag muss sich unser Glaube immer wieder bewähren. Ich finde es wichtiger denn je, in manchen Fragen Stellung zu beziehen. Glaube ist definitiv nicht nur Privatsache. Wo das Recht mit Füßen getreten wird, wo Menschenwürde verletzt und Menschen diskriminiert werden, wo Menschen in Not sind und auf unsere Hilfe angewiesen und auch wo der Respekt gegenüber Andersdenkenden fehlt, überall dort, sind wir gefragt, laut und deutlich unsere Meinung zu sagen. Das hat etwas mit Bekenntnis ablegen zu tun, finde ich. Sich dazu zu bekennen, dass wir glauben, dass vor Gott alle Menschen gleich viel wert sind und dass Tiere und Pflanzen auch Geschöpfe Gottes sind, unsere Mitgeschöpfe eben, das kann keine Privatsache sein. Da müssen wir schon immer wieder unseren ganzen Mut zusammennehmen und unsere Tatkraft einsetzen und aktiv werden. Da muss auch Kirche als Organisation deutlich werden und ihren Einfluss in der Gesellschaft geltend machen.

Wir brauchen doch keine Angst zu haben, denn wir haben Jesus Christus als Vorbild und Gott auf unserer Seite, sagt uns unser dieser Text.

Martina Horak-Werz, Ev. Kirche der Pfalz