| ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
| Joh 15,1-8 | Apg 2, 14a.36-41 | 1 Petr 2, 20b-25 | Joh 10, 1-10 |
Vorbemerkung
Der Sonntag Jubilate ist in der Evang. Leseordnung ganz dem Thema „Schöpfung“ verschrieben.
Reihe I: Sprüche 8, 22-36 Die Weisheit war dabei vor/von Anbeginn der Schöpfung
Reihe IV: Genesis 1,1 – 2,4a
Reihe VI: 2. Korinther 4, 14-18
Der Wochenspruch 2.Kor 5,17 gibt das Thema vor: Neuschöpfung durch Christus
An diesem Sonntag jährt sich zum 40. Mal die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl. Kernenergie ist nicht nachhaltig, viel zu gefährlich und viel zu teuer. Das ist der Erwähnung wert.
Johannes 15,1-8
Die folgenden Bemerkungen zur Exegese lehnen sich an den Kommentar von Stefan Koch an (216ff).
„Der Weinstock ist in traditioneller rabbinischer Sicht regelmäßig das beste Beispiel für Israel.“ Koch sieht Joh 15,1-8 im Anschluss am Hartmut Thyen als zentrale Weinbergsequenz in dem großen Abschnitt (13,1-17,26) zwischen Fußwaschung (13,1-18), Abschied von den Jüngern (14,1-31) und Hinweis auf den Parakleten (16,4-33), Gebet zum Vater (17,1-26).
V1: Der bestimmte Artikel „der Weinstock“ legt nahe, dass die Redeweise und die Metaphorik den Adressat*innen vertraut war. Der Vater als Weinbauer verweist auf Jes 5,1ff. Koch hält fest: „Jesus tritt nicht an die Stelle Israels als wahrer Weinstock, er vertritt Israel als dieser.“
V4: „ „Bleiben“ ist das erklärte Lieblingswort Jesu im Johannesevangelium. Es liegt eine sogenannte „reziproke Immanenzformel“ … vor. In Ihr wird hier um das wechselseitige Bleiben des Sohnes und der Glaubenden gebeten. Jesus wendet also sein Verhältnis zum Vater auch auf seine Jünger und ihr Verhältnis zu ihm an.“
V7: die Verbundenheit geschieht durch das Wort
Gemeinschaft in der großen Menschheitsfamilie und mit der ganzen Schöpfung
Verbundenheit ist der zentrale Gedanken. Ermöglicht wird sie durch sein Wort, wenn es unser Innerstes (BasisBibel) erreicht und bewegt. Dann sehen und erleben wir uns als Teil der großen Gemeinschaft von Christen und der Menschheitsfamilie. Da staunen wir, wer alles dazugehört, welche Gedanken, Erfahrungen auch unterschiedliche Interessen in dieser „Familie“ zusammenkommen. Die Lebenskraft bekommen sie alle von dem einen Weinstock.
Ein starker Baum
Der Weinstock, der in den langen Wintermonaten wie abgestorben aussieht, hat eine unglaubliche Kraft. Jetzt im Frühjahr treiben die Reben an vielen Stellen und die Blüten wollen zu vollen Früchten reifen. Nicht verwunderlich das eine der ältesten Kulturpflanzen zum Sinnbild für Gottes Schöpfungswillen und seine Verbundenheit mit uns Menschen wurde.
Und die Frage, ob denn die Rebe vielleicht Frucht bringen will, stellt sich gar nicht. Da wo die Rebe in guter Verbindung zum Weinstock steht, dort bringt der Saftstrom gute Früchte.
Gerechtigkeit fordert soziale Nachhaltigkeit
Wenn wir an das Weinberglied aus Jesaja 5 erinnern, dann hören wir, was ist und was erwartet ist:
ER wartete auf Rechtsspruch, siehe es war Rechtsbruch, auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit. (V7b)
Soziale Nachhaltigkeit hat immer das Thema Recht und Gerechtigkeit im Blick. Wenn Christen mit Christus und seinem Vater verbunden sind, dann sind wir von der tiefen Sehnsucht erfüllt:
Selig sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden (Mt 5,6). Was für eine Verheißung.
Am Horizont das große Ziel: Klimagerechtigkeit
Ungerechte Verteilung in dieser Welt bezieht sich nicht nur auf die ungleichen Zugänge zu Nahrung, Kleidung, Arbeit, Wohnen, Bildung, Gesundheitsfürsorge und Lebenschancen, sondern ungleich und ungerecht sind auch die Auswirkungen durch die Verteilung der Reststoffe, so wie wir sie am Ende unserer Stoffkreisläufe an unsere Mitwelt zurückgeben. Schadstoffe für Böden, Gewässer und Luft, Plastikmüll, Pflanzen- und Bodengifte, Luftschadstoffe vor allem auch CO2, betreffen Mensch und Tier weltweit sehr unterschiedlich. Diejenigen, die wenig zu den Umweltbelastungen beitragen, leiden unverhältnismäßig viel. Wenn wir den Gedanken der Verbundenheit - nicht nur am Sonntag Jubilate – auch auf unsere Mitwelt weiterdenken, dann wird noch mehr deutlich, welche Gewalt wir Gottes Schöpfung antun.
Der Begriff Klimagerechtigkeit fasst zusammen, um was es geht, angesichts dieser völligen Schieflage, wie die Ressourcen dieser Erde ausgebeutet werden und Müll an unsere Mitwelt zurückgeben wird.
Als Christen können wir den ökumenischen Gedanken der versöhnten Verschiedenheit einbringen. Ein Narrativ, das die Verbundenheit mit allem was lebt als Ziel beschreibt.
Apostelgeschichte 2, 14a, 36-41
Wir lesen von der Wirksamkeit der Predigt des Petrus an Pfingsten.
Worte, die die Herzen trafen und berührten. Das ist das Ziel aller Rede und Predigt.
Wir wollen die Herzen erreichen mit Gottes Botschaft. Sonst bewegt sich nichts. Dies gilt auch für alle Themen der Nachhaltigkeit. Wenn wir die Herzen nicht erreichen, bewegt sich nichts.
Zahlen, Daten, Fakten sind wichtig, aber sie reichen nicht. Tun fängt im Herzen an.
Und so fragen die Zuhörenden im Innern bewegt: was sollen wir tun?
Tut Buße, kehrt um, ändert euer Leben (BasisBibel).
Zur inneren Wandlung kommt dann das äußere Zeichen: die Taufe.
Und wem die Vergebung der Sünde zugesprochen ist, der bekommt auch Anteil an seinem Geist.
Was für eine Verheißung. Sie kann helfen, dass uns die Augen geöffnet werden für diese Welt und die Irrwege der Vergangenheit.
Wendet euch ab von dieser Generation, die durch und durch schuldbeladen ist: (BasisBibel)
Noch nie in der Geschichte der Menschheit haben wir so viel gewusst. Was für eine Zukunft hinterlassen wir unseren Kindern und Enkeln. Sind wir die letzte Generation, die sich diese Schuld aufgeladen hat. Alte und Junge, Verantwortliche in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, alle wissen es. Diese Generation kann nicht sagen, wir haben es nicht gewusst. Die Jungen rufen uns zu recht zu: Ihr klaut uns die Zukunft. Ändert euren Lebensstil, vor allem Ihr Reichen und ihr in den Reichenländern. Mit Mk 1,15b könnten wir die Tür zu einer hoffnungsvollen Zukunft einen Spalt öffnen:
„Ändert euer Leben und glaubt dieser Guten Nachricht“ (BasisBibel). Vielleicht ist es noch nicht zu spät. Siehe auch Gedanken zu Joh 15.
1. Petrus 2, 20b-25
Wer Gutes tut, muss mit Leiden rechnen. Das ist leider manchmal so. Wir sollten diesen Vers nicht missverstehen, dass erst wenn wir leiden, die Gnade Gottes sichtbar wird. Ich denke an Váklav Havel:
„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“
ER selbst hat uns von der Last und dem Gefangensein durch die Sünde befreit: Für die Sünde sind wir tot. Eine neue Lebensperspektive eröffnet sich. Wir können für Gerechtigkeit leben (V24):
Ein nachhaltiger Umgang mit Gottes Schöpfung geht im Einklang mit Sozialer Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit. Die soziale Schieflage hat sich leider verschlimmert. Das ist nicht gut und ist nicht recht. Dazu wollen die, die das Evangelium für alle Menschen hören, nicht schweigen.
Johannes 10, 1-10
Das Bild vom guten Hirten weckt beschauliche aber auch widerständige Gefühle. Wer will schon gern Schaf sein. Insofern ist auch der Begriff Pastor leider etwas belastet.
Der Begriff „Hirte“ war im antiken Orient durchaus gebräuchlich für Könige und Herrscher – oft auch kritisch. Im 1. Testament wird er Gott zugeschrieben aber nie dem regierenden König, sondern nur dem erwarteten künftigen Heilsherrscher.
„Jesu Wort als „Recognitionsformel“ verstanden sagt: Was ihr in eurer so oft enttäuschten Sehnsucht gesucht und gehofft habt: ICH BIN ES.“(Voigt 241)
Für den Gedanken der Nachhaltigkeit oder einer Ethik des Genug ist V10 Anstoß.
Ich bin gekommen, dass sie das Leben und volle Genüge (Luther), in seiner ganzen Fülle (BasisBibel) haben. Was für eine Verheißung.
Doch die Realität lehrt, längst nicht alle Menschen haben genug und schon gar nicht Leben in Fülle.
Deshalb „muss eine Ethik des Genug in zwei Richtungen ausgelegt und gelebt werden:
Diejenigen, die nicht genug zum Leben haben, müssen in die Lage versetzt werden, ein Leben zu führen, bei dem sie alles Lebensnotwenige bekommen. Und diejenigen, die mehr als genug haben, müssen in die Lage versetzt werden, es genug sein zu lassen und mit anderen zu teilen.“ Gütter, 9
Romeo Edel, Tübingen
Literatur
Dr. Ruth Gütter in: Mehr Mut zur Suffizienz, Astrid Hake, Hamburg 2023
Stefan Koch in Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext, Berlin 2019, 216ff
Gottfried Voigt, Der schmale Weg, Berlin, 2. Aufl. 1984