| ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
| Chr.-Vesper: Hes 37,24-28 Chr.-Nacht: Sach 2,14-17 |
Hl. Abend: Jes 62, 1-5 Hl. Nacht: Jes 9, 1-6 |
Abend: Apg 13, 16-17.22-25 Nacht: Tit 2, 11-14 |
Abend: Mt 1, 1-25 Nacht: Lk 2, 1-14 |
Impuls zu den für Christvesper und Christnacht 2025 vorgeschlagenen Texten
Einführung
In den Gottesdiensten der Christvesper und Christnacht bietet sich die Möglichkeit, Menschen zu erreichen, die ansonsten im Verlauf des Jahres seltener in den Gottesdienst gehen. Gleichzeitig kommen in die späten Gottesdienste am Heiligabend häufig diejenigen, denen die früheren oft mit einem Krippenspiel verbundenen Gottesdienste zu quirlig sind und die eher ein etwas besinnlicheres Format bevorzugen. In krisengeschüttelten Zeiten, wie diese im Augenblick vorherrschen, erwarten die Gottesdienstbesucher*innen wohl vor allem, dass Ihnen in den Gottesdiensten gerade an Heiligabend Mut und Zuversicht zugesprochen werden. Diese Erwartungshaltung können die in der EKD Reihe II vorgeschlagenen Predigttexte wunderbar bedienen. Es sind zwei Texte, die in unterschiedlichen Situationen geschrieben, doch beide eine Krisenstimmung im Volk Israel aufnehmen und in diese Stimmung hinein Hoffnung predigen.
Der Text aus Ezechiel 37, 24-28 ist in der Zeit des Exils in Babylon geschrieben. 597 bzw. 587 v. Chr. haben die Babylonier das Südreich Juda eingenommen, Jerusalem und den Tempel zerstört und die Oberschicht nach Babylon ins Exil geführt. In dieser Zeit des Exils tritt der Prophet Hesekiel auf und möchte seinen Landsleuten Hoffnung darauf geben, dass dieser Zustand fernab der Heimat ohne den für rituelle Zwecke so wichtigen religiösen Mittelpunkt des Tempels zeitnah ein Ende haben wird. Er tut dies, indem er einen neuen König in der Tradition Davids ankündigt. David war für die Israeliten damals schon so etwas wie der Idealtypus eines Herrschers, hat er in seiner Zeit als König doch die beiden Reiche Israel und Juda vereint und verband sich mit seiner Figur die Sehnsucht nach einer Herrschaft in alter Stärke und in Frieden.
Auch der Text aus Sacharja 2,14-17 möchte Hoffnung verbreiten in einer Situation, in der die Israeliten nach allem, was wir wissen, alles andere als hoffnungsvoll gewesen sind. Er spricht hinein in die Zeit nach dem Exil. Die Herrschaft in der Region war inzwischen vom Großreich der Babylonier auf das der Perser übergegangen. Die Israeliten durften 538 v. Chr. nach dem Edikt des persischen Königs Kyrus wieder in ihre alte Heimat zurückkehren. Dort fanden Sie aber nach ca. 50 Jahren in der Fremde neue Verhältnisse vor. Das Wiedereinleben und der Wiederaufbau des Tempels und der Stadtmauer gestalteten sich schwierig. In diese Situation hinein spricht Sacharja davon, dass Gott bei den Israeliten wieder eine Heimstatt haben wird, dass sich alle Völker zu Gott hinwenden werden und Gott selbst Jerusalem als seinen Wohnort erwählen wird.
Die Lesungstexte des katholischen Lesejahres sprechen eine ganz ähnliche Sprache: Jesaja 62,1-5 ist ein Text, der ebenfalls nach der Rückkehr der Israeliten aus dem Exil in Babylon entstanden ist. Auch er verspricht den Zionsberg in Jerusalem wieder in altem Glanz erscheinen zu lassen mit Strahlkraft auch für die umliegenden Völker als Sinnbild für Gerechtigkeit und Heil.
Jesaja 9,1-6 ist demgegenüber wohl eher ein vorexilischer Text. Aber auch er verspricht die Errichtung eines Friedensreiches und das Ende von Gewalt und Unterdrückung. Ähnlich wie Hesekiel setzt auch er seine Hoffnungen auf einen neuen Friedensherrscher in der Tradition Davids.
Das heilsgeschichtliche Kompendium aus Apg 13,16-17.22-25 knüpft hieran an, insofern es Jesus direkt als Nachkomme Davids ausweist, der die in David gelegte Friedenshoffnung zur Vollendung bringen wird.
Die in Jesus Christus gelegte Hoffnung buchstabiert Titus 2,11-14 aus, wenn er davon spricht, dass Jesus Christus uns erlöst von aller Ungerechtigkeit und sein Volk sich zu seinem Eigentum gereinigt hat, „ein Volk, das darauf brennt, Gutes zu tun“ – wie es die Bibelübersetzung in gerechter Sprache übersetzt.
Auch der Stammbaum Jesu am Beginn des Matthäusevangeliums in Matthäus 1,1-25 sieht Jesus in direkter Nachkommenschaft König Davids und setzt mit den Zeitabschnitten „David“ und „babylonisches Exil“ genau die Zeitmarker fest, die auch für die alttestamentlichen Texte so wichtig sind. Das Besondere des Stammbaums ist wohl die Erwähnung der vier Frauen Tamar, Rahab, Rut und Maria, die sich allesamt jeweils in einer Umwelt behaupteten, in der sie aus unterschiedlichen Gründen von den Männern um sie herum drohten der Verachtung preisgegeben zu werden.
Schlussendlich ist es die Weihnachtsgeschichte selbst aus Lukas 2,1-14, die die Reihe der vorgegebenen Texte abschließt. Auch dieser Text verbindet Jesus mit David, macht sich Josef doch auf nach Bethlehem, in die Stadt Davids, weil er selbst aus dem Hause und Geschlechte Davids kam. Die Engel nehmen diese mit David verbundene Friedensbotschaft auf, wenn sie den Hirten verkünden, dass „der Heiland geboren ist, welcher ist Christus der Herr in der Stadt Davids“.
Bezug zur Gegenwart und zur Nachhaltigkeit
Weihnachten 2025 fällt in eine Zeit voller Krisen, die bei den Menschen Ängste und Sorgen auslösen. Im Juni, in dem ich diese Zeilen schreibe, ist ein Ende des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine nicht absehbar. Die Situation im Nahen Osten scheint zu eskalieren, nachdem die USA Israel bei der Bombardierung der Atomanlagen des Irans unterstützt hat und der Iran im Gegenzug eine US-Militärbasis in Katar angegriffen hat. Einige der von der Hamas am 7. Oktober 2023 entführten israelischen Geiseln sind nach wie vor in Gefangenschaft im Gazastreifen. Die humanitäre Lage dort ist in der Zwischenzeit unerträglich geworden. Gemeindeglieder, die Freunde oder Verwandte in Israel, Palästina oder dem Iran haben, haben Angst um deren Existenz. Der Nahostkonflikt noch mehr als der Krieg in der Ukraine polarisiert auch bei uns in Deutschland und an vielen anderen Orten weltweit die Menschen. Jüd*innen haben Angst sich in der Öffentlichkeit zu zeigen aus Furcht vor Übergriffen. Auch in anderen Krisenherden der Welt, die nicht dieselbe mediale Öffentlichkeit genießen, sterben tagtäglich Menschen. Das ist z.B. im Sudan oder auch in der DR Kongo der Fall.
Diese kriegerischen Auseinandersetzungen lassen die Klimakrise und ihre Folgen in den Hintergrund rücken, wenn auch Extremhitze und Überschwemmungen und Wirbelstürme weltweit uns deren Folgen immer wieder ins Bewusstsein rücken.
In diese Gesamtlage sprechen die Bibeltexte der Christvesper und der Christnacht hinein und verkünden Hoffnung auf eine bessere Welt. Es ist die Hoffnung auf eine Welt, in der Gottes Friedensreich Eingang findet bei den Menschen.
Dass diese Hoffnung verbunden ist mit Israel, einem Zentrum der Krisen der Gegenwart, kann dazu motivieren, in den Gottesdiensten die Friedenshoffnung gerade für diese Region stark zu machen und nach Brückenbauern zu suchen, die die in dieser Region verfeindeten Seiten versuchen zusammenzubringen.
Die Texte betonen allesamt die tiefe Verbundenheit des Christentums mit der jüdischen Tradition. Dies zu betonen kann als starkes Zeichen gegen den gerade nach dem 7. Oktober 2023 auch bei uns stark angestiegenen Antisemitismus dienen.
Mit dem Judentum verbinden wir die Hoffnung auf das Friedensreich Gottes, das das Unrecht und Leid beenden wird und in dem die heute am Rande Stehenden, von der Gesellschaft eher Verachteten (s. Matthäus 1) rehabilitiert und von Gott gewürdigt werden.
Dieses Friedensreich ist für uns als Christ*innen mit der Wiederkunft Jesu Christi verbunden, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern. Mit dem Judentum verbindet uns die Erwartung, dass der erwartete Messias in der Tradition Davids steht, der in den biblischen Büchern den Ruf des Friedensbringers innehat.
Michael Starck, Beauftragter für den Kirchl. Entwicklungsdienst der Ev. Landeskirche in Baden