| ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
| 2 Kor 1, 18-22 | Jes 7, 10-14 | Röm 1, 1-7 | Mt 1, 18-24 |
2 Kor 1,18-22: Gott sagt in Jesus Christus „JA“ zu seiner Schöpfung
Gottes „JA“ in Jesus Christus ist sein „JA“ zur Schöpfung, seine Bekräftigung dessen, was er geschaffen hat und die jetzt in seinem eigenen Sohn „Hand und Fuß“ bekommt, was wir an in den kommenden Tagen des Weihnachtsfestes feiern dürfen, in ihm ist es bereits verwirklicht und für und vor allen Menschen sichtbar geworden. Es ist Gottes Liebeserklärung an den Menschen, wie es Karl Rahner in seinem eindrucksvollen Text vor über 70 Jahren formuliert hat, wenn er Gott diese eindringlichen Worte in den Mund gelegt hat:
„Ich bin da; ich bin bei dir. Ich bin dein Leben; ich bin deine Zeit. … Ich weine deine Tränen – weine deine mir, mein Kind. Ich bin deine Freude, fürchte nicht froh zu sein, denn seit ich geweint habe, ist die Freude die wirklichkeitsgemäßere Lebenshaltung als die Angst und die Trauer derer, die keine Hoffnung haben. … Ich bin in deiner Not, denn ich habe sie erlitten, und sie ist jetzt verwandelt, aber nicht ausgetilgt aus meinem menschlichen Herzen. … Ich bin in deinem Tod, denn heute begann ich mit dir zu sterben, da ich geboren wurde und ich habe mir von diesem Tod wahrhaftig nichts schenken lassen. … Ich habe mich selbst, wirklich ganz selbst auf das fürchterlichste Abenteuer eingelassen, das mit eurer Geburt beginnt… Seit ich euer Bruder wurde, seid ihr mir so nahe, wie ich mir selber bin. Wenn also ich als Geschöpf in mir und in euch, meinen Brüdern und Schwestern, beweisen will, dass ich als Schöpfer mit den Menschen keinen hoffnungslosen Versuch gemacht habe, wer wird euch dann meiner Hand entreißen? Ich habe euch angenommen, als ich mein Menschenleben auf mich nahm; als euresgleichen, als neuer Anfang habe ich in meinen Untergängen gesiegt. Wenn ihr die Zukunft nach euch allein beurteilt, könnt ihr nicht pessimistisch genug sein. Aber vergesst nicht: eure wahre Zukunft ist meine Gegenwart, die heute begonnen hat und nie mehr Vergangenheit wird. …“ [in: ders., Kleines Kirchenjahr (München 1954) 12-20].
Gottes Ja gilt für immer, trotz seines fürchterlichsten Abenteuers, das er mit der Erschaffung des Menschen eingegangen ist…– bis heute. Und es gilt seiner – vom Menschen selbst so sehr geschundenen und ausgebeuteten - Mitwelt, seiner Schöpfung, die der Mensch immer mehr in die Zerstörung führt. Weil es aber mit der Menschwerdung Gottes, Jesu Geburt in der Welt, Gottes Gegenwart in der Welt ist, haben wir eine Zukunft, die aus uns heraus undenkbar wäre. Mehr noch: in unserer Not kann uns Christus begegnen, weil er sich ganz und gar auf das Menschsein eingelassen hat. Mit dieser – beidseitigen – Christus-Beziehung, in die uns Gott hineingestellt hat, ist uns zugleich ein unverlierbares, bleibendes Siegel „aufgedrückt“ worden, das uns Hoffnung schenken kann: im Gesalbt-sein auf Christus haben wir eine göttliche Stärkung erhalten, die uns „heraus-fordert“, in Gottes Geist und Jesu Namen zu handeln, aus Liebe zu uns Menschen Antwort zu geben, indem wir – neue – Wege finden, SEINE Schöpfung zu bewahren.
Jes 7,10-14: Gott bleibt sich treu und ergreift selbst die Initiative
Gottes Verheißung, von der in der Les aus dem 2. Korintherbrief die Rede ist, findet seine ganz konkrete Ankündigung bereits beim Propheten Jesaja, der in Jerusalem in der Zeit von von ca. 740-701 v. Chr. das Wort Gottes verkündigt hat: Nicht auf das Bitten des Menschen – hier des Königs Ahas – hin, sondern aus der Initiative Gottes heraus wird das leibhaftige Zeichen sichtbar werden: „Siehe, die Jungfrau hat empfangen, sie gebiert einen Sohn und wird ihm den Namen Immanuel geben“ (Jes 7,14b). Gottes wundersame Heilsgeschichte mit uns Menschen nimmt in Jesus Christus seinen Lauf und findet in ihm seine Vollendung.
Gottes Treue und Fürsorge hat nach-haltige Wirkung – und indem sich die Schrift erfüllt hat, ist mit der Mensch-Werdung Gottes nichts mehr wie es vorher war, - ein für alle Mal, irreversibel.
Röm 1,1-17: Tugenden und Grundhaltungen heute
Einem seiner Zeit entsprechenden Formular beginnt Paulus seine Briefe mit einer Adresse (Name des Absenders und der Adressaten, Gruß in Wunschform), darauf folgen Danksagung und Bitte. Zugleich gibt er diesem Schema eine eigene christliche Prägung und weitet es dadurch, dass er theologische Gedankengänge einfließen lässt – hier zentral die Frohbotschaft von Gottes Menschwerdung und Geistsendung in Jesus Christus, die bereits durch die Propheten verheißen wurde. Hieraus leitet er seinen Auftrag ab und dankt seinem „Gott durch Jesus Christus für euch alle, weil euer Glaube in der ganzen Welt verkündet wird“ (Röm 1,8): „Gerechtigkeit Gottes“, „Gehorsam des Glaubens“, „Berufung durch Christus“, im „Dienst des Evangeliums“ „mit ganzem Herzen“. Diese Beschreibung kann eine Ermutigung wie auch eine Anfrage an uns selbst sein, die wir uns selbst „Christen“ nennen und als Getaufte und Gesalbte seine Botschaft „verheutigen“, leben und verkündigen dürfen – gerade auch hinsichtlich unseres Umgangs mit unserer Mitwelt.
Die Enzyklika „Laudatosi“ über die Sorge für das gemeinsame Haus von Papst Franziskus, deren 10-jähriges Jubiläum wir in diesem Jahr seines Todes begehen konnten, kann uns hierfür deutlich machen, worauf es so dringlich ankommt und uns zu einer kollektiven Umkehr „wachrütteln“ (LS 219). Trotz alarmierender Fakten hat er die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Menschheit die Fähigkeit zur Zusammenarbeit besitzt (LS 13). Soll eine ökologische Erziehung nicht Ausdruck einer Verbotsmoral sein, muss sie an Grundeinstellungen rückgebunden sein, klassisch Tugenden genannt. Stehen die Grundhaltungen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander, können wir einem verzweifelten Pessimismus entgehen, ohne unsere Augen vor der Realität und ihren Aporien zu verschließen. Dankbarkeit und Unentgeltlichkeit (LS 220) sowie Genügsamkeit und Demut (LS 224), hebt Franziskus hervor. Dankbarkeit versteht der Linzer Moraltheologe Michael Rosenberger (in seinem Buch „Eingebunden in den Beutel des Lebens. Christliche Schöpfungsethik) „als Anerkennung dessen und Wertschätzung dessen, was einem unverdient zukommt“ (S.285), Demut als „bejahende Antwort der eigenen Begrenztheit und Abhängigkeit“ (S. 272) und damit als „nüchterne und realistische Selbsteinschätzung“ (S. 274). Er ergänzt diese Eigenschaften durch weitere Tugenden, ebenfalls am Text „Laudatosi“ festgemacht: Maßhalten als das Bemühen, die eigenen Ansprüche mit denen anderer Menschen, aber auch der Tiere, in Einklang zu bringen (S. 277), Gelassenheit als eine Einstellung, die sich eine zuversichtliche und offene Grundeinstellung bewahrt und nicht auf die eigenen Bedürfnisse und Ängste fixiert ist (S. 280). So kann uns christliche Spiritualität vor Verzweiflung bewahren und die Kraft für einen langen Atem schenken, den auch bereits Paulus durchklingen lässt. Denn, so Papst Franziskus: „Die Welt ist mehr als ein zu lösendes Problem, sie ist ein freudiges Geheimnis, das wir mit frohem Lob betrachten“ (LS 12). Für ihn zählt – mit den Augen des Glaubens – die Zusage: „Der Schöpfer verlässt uns nicht, niemals macht er in seinem Plan der Liebe einen Rückzieher, noch reut es ihn, uns erschaffen zu haben“ (LS 13).
Mt 1,18-24: Un-Mögliches wird möglich
Mit dem Weihnachtsfest rückt das bereits beim Propheten Jesaja angekündigte Ereignis (Jes 7,14) näher, der „KAIROS“ der Menschwerdung, die sich in Jesus Christus durch das Elternpaar Maria und Josef vollzieht. Gerade als dieser sich - ohne Aufhebens zu machen - von Maria trennen will, weil er der Annahme ist, dass Maria mit einem anderen Mann schwanger wurde, tritt der „Engel des Herrn“ auf den Plan, der in den alten Texten (Gen 16, 7f) ursprünglich Jahwe selbst bedeutete. Auch wenn er anschließend aufgrund der Entfaltung der Engellehre von Gott unterschieden wird, bleibt er der Typ des himmlischen Boten und erscheint als solcher oft in den Kindheitsgeschichten (Lk 1,11.2,9; vgl. auch Mt 28,2; Joh 5,4).
Lassen wir uns vom Engel „beflügeln“: wie im Ersten Testament kommt es vor, dass Gott seinen Plan durch einen Traum zu erkennen gibt. Vielleicht brauchen wir heute – mehr denn je – auf diesem Hintergrund „Zukunfts-Träume-Visionen-Utopien“, um Alternativen zum Bestehenden im Denken zu ermöglichen und ins Handeln zu kommen. Hierbei kann uns die Enzyklika „Laudatosi“ ganz konkret weiterhelfen als wichtiges Dokument für die ökologischen Fragen. Sie ist eine der wenigen päpstlichen Verlautbarungen, die nicht nur innerhalb der Kirche, sondern auch weit darüber hinaus Resonanz gefunden haben. Sie entspricht hinsichtlich der Erkenntnis „einer besorgniserregenden Erwärmung des Klimasystems“ (LS 23) und der Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Transformation dem State of the Art – verbunden mit einer Analyse, die bei der Vielschichtigkeit der Krise ansetzt und die Verschränkung der „sozialen Praktiken, Vergemeinschaftungen und Organisationsformen, Lebensstile, Produktionssysteme und ihrer ideologischen Entsprechungen“ im Blick hat. „Hier liegt das Fundament dafür, dass die Kirche weltweit die Rolle eines change agent im Kontext des sozial-ökologischen Transformationsprozesses übernehmen könnte“, wie es Markus Vogt in seinem Buch „Umweltethik. Grundlagen und zentrale Herausforderungen“ aus dem Jahr 2021 beschrieben hat.
Es könnte wie „Weih-Nacht“ sein: Für Un-Möglich Gehaltenes wird Wirklichkeit, - unwiderruflich und ein-malig, im neuen Leben, das es zu schützen gilt, – aus der Motivation der Liebe zu allem Geschöpflichen.
Norbert Nichell, Bistum Mainz