| ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
| Jer 14,1(2)3-4(5-6)7-9 | Jes 49, 3.5-6 | 1 Kor 1, 1-3 | Joh 1, 29-34 |
Teaser
„[…] ich will eure Hoffnung nicht. […] Ich will, dass ihr in Panik geratet.“ Das sagte Greta Thunberg 2019 beim Weltwirtschaftsforum in Davos[1] , um die Mächtigen zum Handeln zu bewegen. Aber ist Panik wirklich das, was uns bewegt, etwas zu verändern? Und was haben Klimaaktivist*innen mit biblischen Prophet*innen gemeinsam? Darum geht es in den folgenden Gedanken zu den biblischen Texten dieses Sonntags.
Jer 14, 1 (2) 3-4 (5-6) 7-9
Als ich den Predigttext der evangelischen Perikopenordnung zum ersten Mal gelesen habe, hatte ich Angst. Diese intensiven Bilder der Dürre, die hier gezeichnet werden, haben mir die Zunge am Gaumen kleben und meine Handflächen kalt-schwitzig werden lassen. Obwohl ich wusste, dass es im Jeremiabuch um die traumatischen Erfahrungen des Babylonischen Exils geht, standen mir die Bilder aus den Nachrichten vor Augen: Bilder von rissigen Böden, toten Nutztieren und hungernden Menschen. Der Klimawandel bedeutet in einigen Ländern dieser Erde nämlich genau das: Dürre.
Dabei ist nicht dieser eine heißeste Tag seit der Wetteraufzeichnung das Problem, sondern die stetig steigenden Temperaturen, die die Wahrscheinlichkeit für Dürren vervielfachen.[2] Denn Dürren entwickeln sich über einen längeren Zeitraum und haben je nach Dauer und Bedingungen dann auch unterschiedlich starke Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Ökosysteme.
Hilfsorganisationen weisen auf die Gefahr hin, die von häufigeren Dürren ausgeht[3] und Umweltschutzorganisationen zeigen mit Nachdruck Möglichkeiten auf, den gestörten Wasserhaushalt zu stabilisieren, um Dürren zu verhindern.[4]
Ich denke, es lohnt sich, in der Predigt zunächst die Dürre in ihrer Bedrohlichkeit zu Wort kommen zu lassen. Vielleicht reicht es dazu, den Predigttext mit allen vorgeschlagenen Versen zu lesen. Dies wäre für mich ein Schritt in die Richtung von Greta Thunbergs Satz: „Ich will, dass ihr in Panik geratet.“ Denn die Vorstellung zu verdursten, löst Angst aus. Gleichzeitig sorgt sie dafür, dass die Zuhörenden die Dürre als reales Phänomen ernstnehmen und auch auf das Leid der von Dürre betroffenen Menschen und Tiere aufmerksam werden.
Ich stelle mir vor, dass es einen aufrüttelnden Effekt hat, gemeinsam mit den Zuhörenden darüber nachzudenken, 1.) wie wenig Wasser ich eigentlich wirklich zum Leben brauche, 2.) wie viel Wasser ich trotzdem durch meinen Lebensstil verbrauche und 3.) welche Auswirkungen das auf andere Menschen hat.[5]
Ich denke, Greta Thunberg und Jeremia sind sich darin ähnlich, dass sie Menschen zum Umdenken anregen wollen. Sie unterscheiden sich aber in ihrem Umgang mit Hoffnung. Während Greta Thunberg jede Hoffnung ablehnt, weil sie die damit verbundene Vertröstung und Lähmung in der aktuellen Lage für völlig unangebracht hält, schleicht sich in das düstere Bild des Jeremias eine Hoffnung ein. Und mir gefällt es gut und wer weiß, vielleicht würde es ja Greta auch gefallen, wie vorsichtig und doch stark diese Hoffnung hier zu Wort kommt.
Um diese Hoffnung zu verstehen, ist ein kurzer Blick auf den Zusammenhang im Jeremiabuch nötig.
Häufig finden sich in diesem Buch detaillierte Gewaltdarstellungen, die als durch Gottes Zorn bewirkt gedeutet werden. Gott selbst ist also dafür verantwortlich, dass sein*ihr Volk leidet. Denn Gott bestraft sein*ihr Volk für dessen untreues Verhalten.
Diese Deutung wirkt auf den ersten Blick grausam, aber sie wird zu einer Bewältigungsstrategie für die Exilierten. Denn wenn Gott das Leiden des Volkes verursacht, kann er*sie auch dafür verantwortlich gemacht werden. Und wenn Gott mit so starkem Zorn auf die Vergehen des Volkes reagiert, wird er*sie auch mit so starkem Erbarmen auf die Umkehr des Volkes reagieren. Mit Gott kann man interagieren, man kann vor ihm*ihr Schuld eingestehen und um Gnade bitten. Man kann ihm*ihr eigenes Leid klagen und ihn*sie für Leid anklagen.
Genau das tut der Prophet (V. 7-9a) und endet schließlich mit der drängenden Bitte, Gott möge seinem*ihrem Namen alle Ehre machen und die nicht vergessen, denen er das Mit-Sein versprochen hatte. Es ist also die (An)Klage gegenüber Gott, die aus Angst und Ohnmacht herausführt und neue Hoffnung ermöglicht.
Eine Predigt, die Jer 14,1-9 und den Klimawandel aufeinander beziehen will, muss, meines Erachtens, eine gute Balance haben zwischen der Angst, die uns unsere Lage und unsere Verantwortung begreifbar macht und der in der Klage verborgenen Hoffnung, dass Gott uns aus dieser Lage heraushelfen und sich unseren Versuchen gegenüber gnädig zeigen wird.
Jes 49,3.5-6 und 1.Kor 1,1-3 und Joh 1,29-34 (Ev)
Die drei Schrifttexte des katholischen Lesejahres beschäftigen sich mit dem Thema der Berufung und des berufen Seins oder berufen Werdens.
Dabei spielt in den beiden neutestamentlichen Texten der Bezug auf Jesus als Messias und Erlöser eine große Rolle. Auch der alttestamentliche Text (Jes 49,1-6) wird im Neuen Testament und der sich daraus entwickelnden Lesart auf Jesus hin gedeutet. Es ist mir jedoch wichtig zu betonen, dass die neutestamentlichen Autor*innen die sog. „Gottesknechtslieder“ benutzen, um Jesu Leiden und Sterben besser zu verstehen und zu deuten. Das bedeutet nicht, dass dieser alttestamentliche Text dadurch nur noch diese eine christliche Bedeutung hätte. Ganz im Gegenteil kann auch das Volk Israel (als Ganzes) oder eine andere (vergangene, gegenwärtige oder zukünftige) Gestalt als „Gottesknecht“ gedeutet werden.[6]
Wer berufen ist, redet darüber
Diejenigen, die berufen sind, reden mit anderen darüber, dass und wozu sie berufen sind, und geben so ihre Botschaft weiter. Sich berufen fühlen ist also nur eine Hälfte, zu der dann das öffentliche Zeigen der Berufung hinzukommt.
Der „Gottesknecht“ soll zunächst Israel, dann aber sogar alle fremden Völker zu Gott führen und ihnen ein Licht sein. Paulus benutzt den Begriff des „Heiligen“, um deutlich zu machen, dass die Berufung Menschen in einen neuen Zustand versetzt, der sich auch in ihrem Lebenswandel zeigt. Das ist auch bei Johannes deutlich, der immer wieder und vor allen Leuten das bezeugt, was er als wahr erkannt hat.
Ich habe darin eine Parallele zu den Klimaaktivist*innen entdeckt, die unermüdlich friedlich demonstrieren und sich mit anderen vernetzen, um sich in der Politik Gehör zu verschaffen. Ich habe an Luisa Neubauer gedacht, die trotz vieler Anfeindungen mit ihrem Engagement weitermacht und darauf besteht, dass nicht gegenseitige Schuldzuweisung im Freundes- und Familienkreis dem Klima helfen, sondern nur entschlossenes politisches Handeln.[7]
Christ*innen und Klimaaktivist*innen erzählen von dem, was sie bewegt und was sie bewegen wollen. Und ich finde es macht Hoffnung, wenn diese zu Unterschiedlichem berufenen Menschen sich immer wieder auch zu gemeinsamen Projekten zusammenfinden.[8]
Wer berufen ist, ist in Beziehung
Die Berufenen, von denen in den biblischen Texten die Rede ist, sind immer in Beziehung. Schon allein dadurch, dass sie von Gott gerufen bzw. berufen wurden. Es gibt also einen ersten Kontakt, der außerhalb der Verfügung des Berufenen liegt. Er*Sie wird berufen. Erst danach werden die Berufenen dann selbst aktiv, erzählen anderen, von wem und wozu sie berufen sind und bleiben dabei weiterhin auf Gott bezogen.
Ich denke, auch für uns, als Berufene heute, ist es wichtig zu wissen, dass es zur Berufung dazugehört in Beziehung zu sein. Denn gerade, wenn wir als Christ*innen uns für diese großen Themen wie Klimaschutz, Gerechtigkeit und Frieden einsetzen, drohen wir manchmal uns zu verausgaben. Wir glauben, dass es an uns liegt, ob unsere Ideen Erfolg haben, dass es unsere Verantwortung ist, wieviel Gutes wir zu tun schaffen. Und dann gibt es meistens nur zwei Extreme: entweder wir glauben, dass wir alles schaffen können oder wir glauben, dass wir gar nichts können.
Diese drei Texte des katholischen Lesejahres erinnern uns mit dem Motiv der Berufung, ganz ähnlich wie der Predigttext der evangelischen Perikopenordnung mit dem Motiv der hoffnungsvollen Klage, daran, dass die Beziehung zu Gott uns in Balance hält. Wer mit Gott unterwegs ist und von ihm*ihr noch etwas erwartet, traut sich die Arbeit zu beginnen, ohne sich für das Vollenden verantwortlich zu fühlen.
Carmen Jäger, Ev. Kirche von Westfalen
Anmerkungen:
[1] Ein Bericht über die Rede mit den wichtigsten Aussagen ist nachzulesen unter: https://www.deutschlandfunk.de/weltwirtschaftsforum-davos-klimaaktivistin-greta-thunberg-100.html.
[2] Vgl. https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/grundlagen-des-klimawandels/zu-erwartende-klimaaenderungen-bis-2100/duerre-als-folge-des-klimawandels.
[3] Vgl. https://www.aktion-deutschland-hilft.de/de/fachthemen/natur-humanitaere-katastrophen/duerre/ oder https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/-/duerre-weltweit/335416.
[4] Vgl. https://www.wwf.de/themen-projekte/fluesse-seen/wasserverbrauch/wasser-knappheit/10-punkte-gegen-die-duerre.
[5] Vgl. https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/wasser-bewirtschaften/wasserfussabdruck.
[6] Vgl. dazu https://www.die-bibel.de/ressourcen/wibilex/altes-testament/gottesknecht.
[7] Ein interessanter Podcast zu dem Problem, dass die Schuldfrage beim Thema Klimaschutz auf die falschen Ebenen verschoben wird: https://www.reflab.ch/du-bist-selber-schuld/.
[8] Vgl. https://www.ekd.de/klimaaktionstag-2025-91963.html.