| ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
| Gen 3,1-19(20-24) | Gen 2,7-9; 3,1-7 | Röm 5, 12-19 od. Röm 5, 12.17–19 |
Mt 4, 1-11 |
Zum Tag
Der Sonntag „Invokavit“ ist der Sonntag nach Aschermittwoch, damit beginnt für evangelische und katholische Christ:innen die Fastenzeit und die Passionszeit. Klassischerweise versuchen Menschen in den Wochen vor Ostern, auf etwas zu verzichten. Dabei geht es nicht nur um den Verzicht auf Genussmittel, sondern auch um das Hinterfragen so mancher Handlungen und Routinen. Manche versuchen etwa, ihr Auto in dieser Zeit stehenzulassen oder weniger zu kaufen und handeln so ganz im Sinne der Nachhaltigkeit. Vor allem die Geschichte von der Versuchung Jesu (Mt 4,-11) greift das Thema des Sonntags auf.
Gen 3,1-19(20-24)
Die Geschichte vom „Sündenfall“ deckt ein Problem auf, das sich durch die Jahrtausende zieht: Der Mensch könnte eigentlich sorglos und gut versorgt leben, strebt aber trotzdem nach mehr – einfach, weil es möglich ist. Nur weil etwas möglich ist, heißt aber noch lange nicht, dass es gut ist. Der Mensch nimmt sich, was er braucht oder zumindest das, von dem er glaubt, dass er es braucht. Damals wie heute. Die Erde und ihre Bewohner:innen werden ausgebeutet, Gewinnmaximierung geht über Gemeinwohl.
Und dann übernimmt der Mensch noch nicht einmal Verantwortung für sein Handeln. Stattdessen schiebt er die Verantwortung anderen Instanzen zu: Eva, der Schlange. Hier zeigt sich die patriarchale Dynamik des Textes: Obwohl Adam selbst entschieden hat, gemeinsam mit Eva in den Apfel zu beißen, gibt er angesichts der Folgen seines Handelns Eva die Schuld.
Der eschatologische Gedanke des Textes hat gerade im Kontext der Klimakrise etwas Tröstendes. Die Menschen handeln problematisch, verletzen Regeln, ähnlich wie Adam und Eva. Und trotzdem sorgt Gott weiterhin für sie. Das Leben wäre natürlich angenehmer und leichter, wenn sie sich an die Regeln halten würden, aber selbst, wenn sie es nicht tun, bleibt ein einigermaßen angenehmes Leben möglich. Auch für Adam und Eva bleibt Leben weiterhin möglich, es wird nur anstrengender.
Der Text eröffnet noch eine weitere Perspektive: Dadurch, dass Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis essen, werden sie „wie Gott“: „Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse“ (Gen 3,5). Ihr Handeln führt also zur Erkenntnis. Bei uns Menschen heute ist es umgekehrt: Wir haben zwar schon die Erkenntnis, handeln aber falsch. Und das ist absurd. Die Folgen der Klimakrise sind bekannt und doch passiert nicht genug. Nun stellt sich die Frage: Was ist schlimmer: Fehlverhalten aus Unwissenheit oder mit vollem Wissen um die Konsequenzen. Die Antwort ist klar: Was wir machen, ist schlimmer. Wir haben nämlich die Möglichkeit, zu handeln, tun es aber nicht, obwohl wir die Konsequenzen kennen.
Gen 2,7-9; 3,1-7
Der Textabschnitt betont einmal mehr die Einheit von Mensch und Natur: „Da formte Gott, der HERR, den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.“ (Gen 2,7) Der Mensch ist also integraler Bestandteil der Erde, nicht getrennt von ihr. Wir Menschen sind Teil eines lebenden, wandelnden Organismus – verbunden mit allem, aus allem, und alles kann auch aus uns sein. Alles ist in ständiger Wechselwirkung: Wir verändern das System, das System verändert uns. Unser Verhalten sollte also nachhaltig sein und dabei das Beste für alle und alles im Blick haben. Empathie und Mitgefühl sind wichtig.
Das Essen vom Baum der Erkenntnis kann als Geburtsstunde der Ethik betrachtet werden. Eva strebt nämlich nicht in erster Linie nach sinnlichem Genuss, sondern nach Klugheit: „Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse. Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und begehrenswert war, um klug zu werden“ (Gen 3,5+6). Die Schlange präsentiert sich als kluges Tier und verspricht Wissen. Aus Evas Sicht ist das Essen eine nachvollziehbare und erstrebenswerte Handlung. Die Menschen wissen also gar nicht, was sie da eigentlich tun. Sie machen etwas, was völlig nachvollziehbar ist, sie wollen klug werden. Erst das Verbot durch Gott macht den Akt zu etwas Schlechtem. Inhaltlich ermöglicht er Adam und Eva, eigenverantwortlich zu handeln. Mit Adam und Eva kommt sozusagen die Verantwortung in die Welt.
Röm 5,12-19
Der Ausschnitt aus dem Römerbrief dreht sich um die Adam-Christus-Typologie: „Wie nun durch die Sünde des Einen [Adam] die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, so ist auch durch die Gerechtigkeit des Einen [Jesus Christus] für alle Menschen die Rechtfertigung gekommen, die zum Leben führt.“ (Röm 5,18) Dahinter steckt die Analogie: Genauso, wie Adam durch sein Handeln die Sünde in die Welt gebracht hat, kann Jesus Christus Gerechtigkeit in die Welt bringen und das Gute wiederherstellen. Daraus speist sich die Hoffnung, dass korrigierendes Handeln möglich ist. Was andere also Schlechtes getan haben (z.B. Kolonialismus, Kriege, Ausbeutung, Klimakrise), kann durch das eigene Handeln wieder gutgemacht werden.
Florian Grieb, Evangelische Kirche der Pfalz