| ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
| Jes 40,26-31 | Apg 2, 42-47 | 1 Petr 1, 3-9 | Joh 20, 19-31 |
Die Autorin betrachtet ausführlich den ev. Predigttext und geht daran anschließend auf die Bibelstellen der kath. Leseordnung ein.
Ev. Predigttext Jes 40, 26-31 – Ein biblisches Beispiel für Empowerment
Was soll nur werden? Im ersten Teil des Jesajabuches stand im Vordergrund, wie verheerend es sich auswirken kann, setzt man auf die falschen Leute im großen politischen Spiel. Krieg und Zerstörung, Flucht und Vertreibung, Exil und Versklavung sind die Folge. Im Hintergrund stehen im Jesajabuch die Erfahrungen des Untergang des Nordreiches 722 und die Belagerung von Jerusalem 701, in Überarbeitungsstufen auch der Untergang Judas mit Jerusalem 597/587.[1] Auch heute gibt es furchtbare Erfahrungen mit Krieg. Auch in unseren Gemeinden. Die ganz Alten können noch erzählen von Flucht und Vertreibung, Hunger und Zerstörung. Neue Gemeindeglieder aus anderen Teilen der Welt kommen möglicherweise aus genau diesen Grund. Wie kann trotzdem immer wieder Neues entstehen? Wie kann Mut wachsen?
Die Antwort aus dem zweiten Jesajateil ist ganz simpel: Mit Gott.
So setzt mit Jesaja 40 die Zuversicht ein. Historisch vermutlich im Exil wächst sie heran im Vertrauen auf Gottes Schöpferkraft.[2]
Daher sehe ich in dem ganzen 40. Kapitel des Jesajabuches eine unglaubliche Handlungsbefähigung. Eine Erzählung wie das gehen kann: Menschen empowern.[3] Dazu gehört die Situation wahrnehmen, wo das Problem liegt, sich zusammenfinden, sich organisieren und erst dann etwas tun um zu verändern.[4] Jesaja 40 endet mit der Kraft loszufliegen. Könnte Jes 40 nicht auch heute eine Befähigung sein, wie Menschen widrigen Lebensumständen zum trotz, Mut, Hoffnung und Ideen entwickeln?
Am Anfang steht auch hier nicht die Aufforderung etwas zu tun. Jemand, der keine Kraft mehr hat, der hat schlicht keine Kraft, irgendetwas zu tun.
Deshalb: Am Anfang steht der Trost. „Tröstet, tröstet mein Volk!“ Dazu gehört miteinander freundlich reden, Freiräume zeigen, Schuld vergeben, Wege ebnen, Perspektiven zeigen. Damit Frieden werden kann, innen wie außen nach Zeiten der Wut und des Hasses.
Dazu gehört auch: Ehrlich bleiben – denn Menschen sind und bleiben vergänglich. Niemand kann sich selbst ins Leben rufen. Das ist bei Jesaja aber nun gerade kein Grund zu verzweifeln, denn es gibt etwas Bleibendes, an dem sich Menschen orientieren können. Jesaja predigt Gott als Schöpfer- und Orientierungskraft. An Gott zerschellen alle menschlichen Eitelkeiten, alles Völkische, Aufgeblasene, alles was sich selbst beweihräuchert und für zu wichtig nimmt. Exemplarisch nennt Jesaja Fürsten und Richter, die vergehen wie Spreu. Wenn Menschen Kraft gewinnen, sich selbst von Gott her ermächtigen, dann sind auch Machtverhältnisse in guter Weise neu zu ordnen und zu verändern.[5] Wer glaubt nur aus eigener Kraft das Leben und die Erde zu meistern, wird sich müde laufen und straucheln. Wer auf Gott vertraut und hofft, kann Kräfte in sich entdecken, die sie oder er und alles dazwischen sich selbst gar nicht zugetraut hätte.
Mir fällt da das alte Wort Gottvertrauen ein. Es kommt bei Jesaja nicht von allein. Es braucht Menschen, die vorleben, die zeigen, wie es gehen könnte. Das können auch ganz kleine Sachen sein. Sowohl im Bereich Gerechtigkeit, als auch Frieden oder Bewahrung der Schöpfung oder schlichte Glaubenskraft. Ich bin mir sicher, dass es in jeder Gemeinde Beispiele dafür gibt.
Ein persönliches Beispiel sei mir hier gestattet:
Jes 40,31 war 1991 Jahreslosung. Der Golfkrieg weit weg, Krieg in Europa – in Jugoslawien viel zu nah und der „große Bruder“ hörte auch auf zu existieren.
Nebenbei lag meine Kinderwelt in Trümmern. Gefühlt kämpften alle ums Überleben. Die Elterngeneration war mit sich selbst beschäftigt. Arbeitslosigkeit war der Normalfall. Nach diesem Schuljahr gab es keine POS mehr. Neue Klassen, neue Lehrpersonen, neuer Schulname, neue Schulformen, neuer Direktor. Nur das Gebäude war noch das alte. Die Kindheit war vorbei. Wenn wir auf die Straßenbahn nach Hause warteten (Noch war es die Tatrabahn – die sogenannte letzte Rache Dubčeks) und Busse mit westdeutschen Kennzeichen durch Dresden fahren sahen, stießen wir uns an und sagten: Guck mal: Schon wieder eine Safari in den wilden Osten.
Was half mir in dieser Zeit?
„Aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“
In der Kurrende sangen wir diesen Vers. Unser Kantor erzählte mit leuchtenden Augen von diesem Vers. Er half uns, den Mut nicht zu verlieren.
Obwohl fast alles Chaos war. Es gab etwas Beibendes: Gott war noch da.
Die Kirche war geblieben. Das gleiche Gebäude, der gleiche hochverehrte Kantor, der uns mit alten Handzeichen die Melodie anzeigte. Der gleiche Psalmton zum Halleluja, den wir sangen und Kinderkantaten und Rüstzeiten und Krippenspiel.
Diese Kirche war mein Fluchtpunkt.
Ein Freund sagte 30 Jahre später: „Ich glaube nicht mehr an Gott, aber das, was diese Kirche für uns in unserer Kindheit getan hat, das werde ich ihr nie vergessen, dafür bleibe ich Mitglied.“
„Kriegen“ – dürfen wir das sagen? Im Aufsatz wurde uns das als schlechtes Deutsch angestrichen. – Klar bei Gott darf man. Gott ist nicht kleinlich.
„Dass sie Auffahren mit Flügeln wie Adler“ – Als Kind stellte ich mir vor, ich würde Luftballons bekommen und ganz hoch und ganz weit weg fliegen.
„Harren“ – Was ist das? – fragten wir unseren Kantor.
„Warten und Geduld“ – das fanden wir langweilig und doof.
„Vertrauen“ erklärte er uns und „träumen“, dass etwas werden wird. Und dann sang er mit uns ein Lied darüber, wie wichtig Träume sind.
„Vielleicht kommt es ganz anders, als wir wollen, aber Gott lässt Euch nicht hängen.“
Wie sehr wünschte ich mir neue Kraft! Manchmal reichte die alte Kraft nicht aus. Manche blieben auf der Strecke.
Und doch ist dieser Bibelvers auch nach so vielen Jahren sofort wieder da. In meinem Leben hat er Kraft entfaltet. Aus meiner Generation mussten nicht mehr alle weggehen. Als Wendekind legte ich müheloser als die Älteren das alte Federkleid ab, ein neues an und flog los. Ich profitierte von offenen Grenzen, von Stipendien, durfte im Ausland studieren – meine engste Freundin stammt aus Westdeutschland und es spielt keine Rolle.
Kath. Lesejahr A:
Apg 2,42-47
Als östlich des eisernen Vorhangs Geborene, ist mir an diesem Text wichtig, dass er keinen Kommunismus predigt. Es ist weder von Produktionsverhältnissen, noch von Mehrprodukt oder Diktatur des Proletariats oder Bodenreform die Rede. Es wurden weder VEBs noch LPGs und erst recht keine Einheitspartei gegründet. Kommunisten würden auch keine Abendmahl feiern oder in einem Tempel oder Zuhause zu Gott beten.
Menschen teilen, was sie haben, freiwillig und brauchen es gemeinsam auf, weil sie glauben, dass die Welt die sie kennen, absehbar bald vorbei ist. Weil Jesus bald wiederkommt. Bald war dann sehr relativ. Und bald kam es auch zu Streitigkeiten.
Allerdings mutet der Anfang schon an wie eine ideale Gesellschaft, weil sie sich an Gott festmacht. Eine ideale Gesellschaft wollten Kommunisten auch schaffen, nur eben ohne Gott. In der Apg wird die Gemeinschaft von Menschen von Gott gestiftet, durch Gott getragen, mit Gott verwirklicht.
1 Petr. 1,3-9
Den Schwerpunkt würde ich auf Vers 3 legen. Wenn Menschen durch Gottes Barmherzigkeit dazu kommen, dass sie an die Auferstehung glauben, werden sie zu einer „lebendigen Hoffnung“. Und zwar nicht nur für sich selbst. Wer im Hier glaubt, erlangt am Ende „der Seelen Seeligkeit“. Und das führt im Hier und Jetzt dazu „mancherlei Anfechtungen“ durchzustehen.
Auf den ersten Blick mag es hier um Innerlichkeit gehen, um den persönlichen Glauben an die Auferstehung. Innerlichkeit wirkt jedoch nur nachhaltig, wenn sie sich nach außen äußert. Eine „lebendige Hoffnung“ bedeutet doch, im Vertrauen auf Zukunft bei Gott, mit Gott Vertrauen in die Zukunft dieser Erde zu haben und dafür fröhlich tätig zu sein.
Joh 20,19-31
Thomas braucht empirische Überprüfung. An Gott zu glauben, ist gar nicht so einfach in einer Welt, in der versucht wird, für alles Beweise zu finden, ob sie nun stimmen oder nicht. Schließlich kann ja die Statistik gefälscht, die wissenschaftlichen Ergebnisse frisiert, das Video manipuliert sein. Und es ist inzwischen so leicht zu manipulieren!
Warum also z.B. den Klimastatistiken glauben? Es wird doch nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. (Nun ja, in diesem Fall vielleicht noch heißer, aber Sarkasmus gehört nicht auf die Kanzel.)
Schön finde ich, dass Jesus Thomas nicht tadelt, sondern seinem Wunsch nachgibt. Er fordert Thomas auf, den Finger in die Wunden zu legen.
Gleichzeitig nennt Jesus alle nachfolgenden Generationen selig, wenn sie das schaffen: glauben, auf Gott vertrauen, ohne empirische Beweislage.
Das ist ein großer Sprung. Dafür braucht es die Erfahrung, die Erzählung, das Beispiel, früher hätte man gesagt, das Zeugnis der jeweils vorhergehenden Generationen.
In Glaubensdingen, genauso wie in Lebensdingen.
Vielleicht kann wieder mehr erzählt werden, von dem was trägt im Leben. Nicht das früher alles besser war, sondern um der Glaubwürdigkeit willen und der Hoffnung, dass wenn es damals Zukunft gegeben hat, es auch morgen Zukunft geben wird.
z.B.: Man kann mit weniger leben und solange das Nötige da ist, ist das nicht schlimm. In meiner Kindheit gab es zu Weihnachten Nutella und das war ein Fest! Nur die Küche hatte eine Gasheizung und war sicher warm. Sie war der zentrale Ort, das Zentrum der Familie.
z.B.: Ich habe die Dresdner Frauenkirche und das Schloss noch als Kriegsruinen gesehen. Sie sind so schön geworden. Lasst uns nicht vergessen, wie viel leichter etwas zerstört, als wieder aufgebaut ist!
Dr. Cornelia von Ruthendorf-Przewoski, Universität Halle-Wittenberg
Anmerkungen
[1] Ulrich Berges/ Willem Beuken: Das Buch Jesaja. Eine Einführung, Göttingen 2016, 11; 21.
[2] Ulrich Berges/ Willem Beuken: Das Buch Jesaja. Eine Einführung, Göttingen 2016, 136.139.
[3] Einen leichten und schnellen Einblick bietet z.B.: Norbert Herriger: Empowerment. 2022. Abrufbar: https://www.socialnet.de/lexikon/Empowerment. 8.10.2025.
Michael Domsgen: Über, von und in empowerment lernen – und so Reflexionsräume neu ausloten. In: EvTh 25/2, 85-95.
[4] Michael Domsgen: Über, von und in empowerment lernen – und so Reflexionsräume neu ausloten. In: EvTh 25/2, 85-95, 90f.
[5] Michael Domsgen: Über, von und in empowerment lernen – und so Reflexionsräume neu ausloten. In: EvTh 25/2, 85-95, 91.