11.01.2026 – 1. Sonntag nach Epiphanias / Taufe des Herrn

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Mt 3,13-17 Jes 42, 5a.1-4.6-7 Apg 10, 34-38 Mt 3, 13-17

Jes 42, 1-4.6-7

Vier Mal findet sich beim Propheten Jesaja ein Hinweis auf den sogenannten „Gottesknecht“. Unser Text ist der erste in dieser Reihe. Eine menschliche Gestalt, von Gott auserwählt, um Gottes Agenda auf Erden umzusetzen. Dieser „Gottesknecht“, den Jesaja dort beschreibt, ist mehr als ein Prophet, mehr als ein reines Sprachrohr Gottes. Er wird aktiv. Bestrebt, Gottes Recht und Gerechtigkeit mit Sanftmut durchzusetzen und sich auch selbst nicht zu schonen. So wird ihn Jesaja später als geschundenen Leidensmann beschreiben. Als einen, der Schmerz und Unrecht der Welt auf sich nimmt. Die liturgischen Texte des Karfreitags greifen darauf zurück. Insofern kann es nicht überraschen, wenn Christen schon sehr früh die „Gottesknechtslieder“ des Jesaja als Hinweis auf Jesus gelesen haben. Als prophetische Ankündigung eines Messias, der leiden und sterben muss, bevor er von Gott verherrlicht wird.

Das Gottesreich fällt nicht vom Himmel. Es muss errungen werden. Immer wieder auch gegen Widerstände. Nachhaltig Handeln ist das Gegenteil von schnelllebigen Events oder „Deals“. Nachhaltig für Gottes Sache einzutreten, setzt Stehvermögen voraus. Die Fähigkeit, auch Rückschläge und Anfeindungen auszuhalten und dennoch mit sanfter Beharrlichkeit dem Weg Gottes weiter zu folgen. Bin ich als Christ dazu bereit?

In der Figur des Gottesknechts geht es nicht um Verherrlichung einer im Christentum oft falsch verstandene Leidensmystik („Christenleben – Opferleben“). Es geht um Beständigkeit, um Treue zu Gott und seiner Botschaft. Eine solche Treue ist herausfordernd, kann im äußersten Fall auch persönliche Nachteile, ja sogar Leiden bedeuten. Der treue Gottesknecht, ein (Vor)Bild für Nachhaltigkeit in der Nachfolge.

Apg 10, 34-38

Dem Text geht eine Vision des Simon Petrus voraus. Vor seinem geistigen Auge erscheinen ihm Tiere, die nach jüdischer Tradition unrein und deshalb verboten sind. Eine Stimme aber befiehlt ihm, er solle sie schlachten und essen. Petrus, der fromme Jude, ist verwirrt und weist das Ansinnen entschieden von sich. Erst in der folgenden Begegnung mit dem römischen Hauptmann Kornelius, der als Heide zum Glauben an Jesus gekommen ist, geht ihm die Bedeutung seiner Vision auf: Dass Gott nicht auf Speisegebote, soziale Stellung oder bisherige Glaubensüberzeugungen schaut, sondern auf das Herz des Menschen. Petrus erkennt: Gott schätzt jeden Menschen, der „ihn fürchtet und tut, was recht ist.“  Eine Einsicht, an die auch in unseren Kirchen heute nicht oft genug erinnert werden kann.

Betrachtet man beim Lesungstext auch die vorgehenden Verse 9-16, kommt – unabhängig von der Frage nach den Heiden - die Schöpfung als Ganzes in den Blick: „Was Gott für rein erklärt hat, nenne du nicht unrein“, sagt die Stimme, die Petrus hört. Das könnte den Blick dafür schärfen, wie wir heute auf unsere Welt schauen. Einteilungen in gut oder schlecht, nützlich oder wertlos bezogen auf die Natur, aber auch auf den Umgang mit anderen Menschen und Völkern, treffen wir anhand unserer Interessen. Schaut man nachhaltig auf das, was uns umgibt, sollte zunächst aber immer gelten: Was Gott geschaffen hat, ist per se gut! (vgl. Gen 1,31) Das heißt nicht, dass sich Menschen nicht trotzdem un-gut verhalten könnten, zu ihren Mitmenschen, zur Schöpfung. Jede pauschale Verurteilung auf Grund von Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion oder sozialem Status (DIE Juden, DIE Muslime, DIE Reichen ...) allerdings verbietet sich. Nachhaltig im Sinne Gottes ist deshalb nur der Blick auf den individuellen Menschen. Auf sein konkretes Reden und Tun. Auf sein „Herz“, wie der Text es formuliert. Der entscheidende Maßstab für Christinnen und Christen bleibt hier das Evangelium.

Mt 3, 13-17

Die Geschichten der Taufe Jesu schildern nicht vorrangig historische Fakten. Sie sind erzählte Theologie. Anders als bei Mk und Lk entspinnt sich in unserem Text jedoch ein kurzer Dialog zwischen Jesus und dem Täufer, in dem die besondere Stellung Jesu bereits anklingt. Und dennoch besteht dieser Jesus darauf, von Johannes getauft zu werden, wie alle anderen auch. Jesus will kein neues Gesetz aufstellen. Er möchte vielmehr auf die von Gott geschenkte Gerechtigkeit hinweisen. Diese will er vollenden. Erkennbar wird sie im Tun der Menschen. Das Bild des „offenen Himmels“ schließlich symbolisiert die enge Verbundenheit zwischen Himmel und Erde, Gott und seiner Schöpfung. Für alle Zeit erfahrbar geworden im Menschen Jesus aus Nazareth und seiner einzigartigen Beziehung zu Gott.

Der Text kann anregen, über die Treue nachzudenken. Treu sein zum Gesetz, zu Verpflichtungen, die ich übernommen habe, zu eigenen Überzeugungen, zu Menschen. Nachhaltiges Leben ist ohne Treue schwer vorstellbar. Solche Treue kann zu einer freiwilligen Selbstbeschränkung führen. Nicht alles, was technisch oder ökonomisch machbar ist, muss ich auch tun, wenn es anderen oder der Schöpfung schadet. Nachhaltiges Leben und Handeln, in Treue zur bedrohten Schöpfung und zur Mitmenschlichkeit – womöglich offenbart sich gerade darin Gottes Gesetz und Gerechtigkeit.

Das Bild des „offenen Himmels“ erinnert an jenes wunderbare Naturschauspiel, wenn ein wolkenverhangener, grauer Himmel plötzlich aufreißt, das Blau zum Vorschein kommt und Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke hindurch auf die Erde fallen. Für den, der mit offenen Sinnen durch die Welt geht, kann die Natur selbst mitunter zum Verkündiger werden.

Martin Wolf, Mainz