08.03.2025 – Okuli / 3. Fastensonntag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Lk 9,57-62 Ex 17, 3-7 Röm 5, 1-2.5-8 Joh 4, 5-42

Durst – körperlich, seelisch, wesentlich. Die Predigtanregung verknüpft die Fastenzeit mit Fragen nach Lebendigkeit, Verbundenheit und der Erfahrung von Gottes Gegenwart in der Schöpfung. Sie stellt den Zusammenhang von spirituellem Erleben und nachhaltigem Handeln her.

  1. Körperlicher Durst

Beim Heilfasten war letztes Jahr „Durst“ mein Thema. Durst ist beim Fasten ein ständiger Begleiter, er tritt irgendwann an die Stelle des Hungers. Ich fühle am eigenen Leib: Ohne Nahrung halte ich ein paar Tage aus – aber nicht ohne Wasser. Wir brauchen Wasser zum Überleben, ohne sterben wir.

Durst ist potentiell tödlich. Deshalb kann er wahnsinnig machen: Auf der Flucht aus Ägypten werden die Israeliten so mürrisch vor Durst, dass Moses um sein Leben fürchtet: „Es fehlt nicht viel, und sie steinigen mich!“ (Ex 17,4). Maßlosen Durst muss auch die Frau aus Samarien haben, die ausgerechnet in der größten Mittagshitze zum Wasserholen an den Jakobsbrunnen kommt (Joh 4,6). Unbändiger Durst ist ein Selbsterhaltungstrieb: Er kann unseren Fokus komplett auf das richten, was momentan das Wichtigste ist: Trinken.

 

  1. Etwas fehlt

Beim Heilfasten wird die körperliche Erfahrung manchmal zur seelischen, wesentlichen, wenn ich mich frage: Wonach dürste ich, wonach dürstet mein ganzes Wesen, meine Seele?

Ich habe wesentlichen Durst: nach Lebendigkeit, nach Verbundenheit und Sinn. So, wie die Frau am Jakobsbrunnen. Jeden Tag geht sie hin und schöpft daraus. Erst, als sie Jesus begegnet, merkt sie: Dieses gewöhnliche Wasser hat meinen Durst nicht gestillt, irgendetwas fehlt.

Ich selbst versuche jeden Tag, meinen wesentlichen Durst mit „gewöhnlichem“ Wasser zu stillen: Ich stehe morgens auf, ich gehe in die Natur (= Lebendigkeit). Ich bin da für die Menschen, die mich brauchen (= Verbundenheit und Sinn). Aber manchmal spüre ich: Etwas fehlt.

 

  1. Durst nach Wesentlichem

Die Frau am Jakobsbrunnen ist eine Samariterin. Eigentlich dürfte dieser Mann, der da am Brunnen sitzt und augenscheinlich jüdischer Rabbiner ist, gar nicht mit ihr reden. Jesus tut es trotzdem - weil er Durst hat: „Gib mir zu trinken!“ (Joh 4,7), sagt er. Die Frau ist verblüfft: Sie vergisst sogar, dieser drängenden Bitte nachzukommen, zumindest steht davon nichts im Text. Weder sie noch Jesus trinken etwas, obwohl beide, so beschreibt es die reine Textebene, großen Durst haben. Dem Erzähler, Johannes, geht es offenbar ums etwas anderes: Der Fokus der handelnden Personen richtet sich auf das aus, was für sie momentan noch wichtiger, wesentlicher ist, nämlich ihre Begegnung. Sie machen keinen Smalltalk. Keiner verstellt sich, Jesus und die Frau begegnen sich wahrhaftig, sie begreifen sich in ihrem jeweiligen Wesenskern: Jesus erkennt die Frau in ihrer Sehnsucht nach Liebe (Joh 4,17-19) und die Frau ahnt: Jesus ist der Messias (Joh 4,25-26.29).

 

  1. Lebendiges Wasser

Mose kann den Durst seines Volkes stillen, indem er Gottes Aufforderung nachkommt, mit seinem Stab gegen einen Felsen zu hauen, woraufhin Wasser herausfließt (Ex 17,6). Weil er um sein Leben fürchtet, versucht er erst gar nicht, diesem Durst mit „herkömmlichen Mitteln“ beizukommen (z.B. durch die Suche nach versteckten Quellen etc.). Er vertraut sich Gott an. Damit bewirkt er etwas Wunderbares:  Wasser fließt aus dem Stein. Auch hier erzählt der Text nicht, ob die Menschen tatsächlich davon trinken. Vielleicht, weil selbstverständlich davon auszugehen ist. Vielleicht aber auch, weil etwas anderes momentan wesentlicher ist, nämlich: „Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?“ (Ex 17,7)

Lebendiges Wasser, das aus dem Stein quillt, gibt Antwort. Nach lebendigem Wasser dürstet die Frau am Jakobsbrunnen – und Jesus schenkt es ihr. Später wird klar: Wasser ist das Symbol für den Heiligen Geist (vgl. Joh 7,38f.). So versteht es auch Paulus, wenn er schreibt: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm 5,5). Wenn Lukas erzählt, dass Menschen zu Jesus sagen: „Herr, ich will dir nachfolgen!“ (Lk 9,61), sehnen sie sich nach diesem lebendigen Wasser – und haben noch nicht erfahren, dass es als Liebe Gottes in uns sprudelt.

Gottes Liebe ist das lebendige Wasser, das den Durst nach Wesentlichem, nach Lebendigkeit, Sinn und wahrhaftiger Verbundenheit, stillt. Erfahrungsräume dafür sind zum Beispiel: Das Vertrauen des Mose in Gottes Macht, Jesu wahrhaftige Begegnung mit der Frau, der Brief des Paulus, mit dem er die junge Gemeinde in Rom gestärkt und ihr Hoffnung geschenkt hat. Ich frage mich: Welche Erfahrungsräume brauche ich, um vom lebendigen Wasser trinken zu können?

 

  1. Naturerfahrung

Meine Erfahrung beim Heilfasten ist: Der Fokus verschiebt sich. Ich brauche keinen Smalltalk, keine Ablenkung, keinen Fernseher. Wichtiger als der körperliche Durst wird der Durst meiner Seele: Ich brauche lebendiges Wasser, nicht gewöhnliches. Ich „dürste nach Gott“ (Ps 42,3), will erfahren: Gott ist da. Mir gelingt das am leichtesten draußen in der Natur, vor allem im Wald. Hier trinke ich „lebendiges Wasser“, weil ich unmittelbar spüre: Gott, der Schöpfer, ist gegenwärtig. In der Natur wird mir wieder bewusst: Ich bin ein „Erdling“ wie Adam, bin ein Teil dieser Schöpfung, in der Gott ist. Das heißt auch: In mir sprudelt das lebendige Wasser, nach dem ich dürste - schon immer.

 

  1. Verbundenheit und Fürsorge

Wenn ich unstillbaren Durst habe - nach dem Wesentlichen -, kann ich nicht klar denken, ich bin im Überlebensmodus. Mein Fokus ist auf das (schnelle, oberflächliche, vorläufige, egoistische) Stillen des Durstes ausgerichtet. Natürlich greife ich danach, wenn „schnelle Durstlöscher“ verfügbar sind: Onlineshopping, Serien streamen, Billigflüge. Daran gewöhne ich mich so sehr, dass ich gar nicht merke (oder nichts davon hören will), dass ich mit meinem Konsumverhalten meinen Lebensraum und mich selbst kaputt mache.

Was ich aber brauche, um den wesentlichen Durst zu stillen, ist lebendiges Wasser: "Wenn wir uns … allem, was existiert, innerlich verbunden fühlen, werden Genügsamkeit und Fürsorge von selbst aufkommen“ (Papst Franziskus in: Laudato si' 11). Damit das kein frommer Wunsch bleibt, sind Erfahrungsräume unerlässlich, wie sie Moses, Jesus oder Paulus den durstigen Menschen ihrer Zeit eröffnet haben. Wenn ich – zum Beispiel in der Natur oder auf welche Weise auch immer – die Erfahrung mache: „Gott ist da, nimmt mich ganz und gar an, liebt mich und sorgt für mich.“, dann trinke ich lebendiges Wasser. Schnelle Durstlöscher werden überflüssig.

So kann aus der (spirituellen) Erfahrung des Stillens wesentlichen Durstes nachhaltiges Handeln erwachsen – weil ich, wenn ich mich als Teil der Schöpfung erfahre, achtsamer mit ihr umgehe und sie selbstverständlich bewahre.

Anke Jarzina, Bistum Limburg