| ev. Predigttext | kath. Lesungen der Osternacht | kath. Evangelium | |
| 2 Tim 2,8-13 | (1. Lesung): Gen 1, 1 - 2, 2 (2. Lesung): Gen 22, 1-18 (3. Lesung): Ex 14, 15 - 15, 1 (4. Lesung): Jes 54, 5-14 |
(5.): Jes 55, 1-11 (6.): Bar 3, 9-15.32 - 4, 4 (7.): Ez 36, 16-17a.18-28 (Epistel): Röm 6, 3-11 |
Mt 28, 1-10 |
Die Verfasser betrachten den Evangeliumstext der kath. Leseordnung ausführlich und geben einen besonderen Akzent für die Osternacht, die in vielen Gemeinden traditionell gefeiert wird und damit wenig Raum für neue Gedanken gibt. Die kath. Lesungen der Osternacht sind in den drei Lesejahren identisch, insofern enthalten die Texte aus den Vorjahren zusätzliche Impulse. Der ev. Predigttext lässt keine direkten Bezüge zur Nachhaltigkeit erkennen.
Thema: Er ist nicht hier – die Auferstehung als Wegweiser und Hoffnung
Einleitung
Mt 28,1-10 erzählt von der Erfahrung der Jüngerinnen des leeren Grabes und dem erneuerten Blick der Jüngerinnen. Die Botschaft ist eindeutig: Gott bricht mit dem Tod und eröffnet neue Wege des Lebens. Aus dieser Perspektive lässt sich die Geschichte auch als Aufruf zu einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Lebensweise lesen: Wir sind eingeladen, Verantwortung zu übernehmen, für Gerechtigkeit, Solidarität und das gute Leben für alle – heute und in der kommenden Generation.
Es fängt in der Dunkelheit an. „Nach dem Sabbat, beim Anbruch des ersten Tages der Woche…“ Die Frauen kommen nicht mit Hoffnung, sondern mit Trauer. Maria Magdalena und die andere Maria nähern sich einem Grab, nicht einem Thron. Sie kommen, um einer Leiche die letzte Ehre zu erweisen, nicht um einen König zu begrüßen. In diesem Sinne erwarten diese Frauen nicht die Auferstehung. Ihre Schritte sind nicht jubelnd. Es sind Schritte der Hingabe, aber auch der Resignation. Jesus ist tot, und sie sind gekommen, um zu vollenden, was der Tod am Freitagabend unterbrochen hat. Sie tragen Gewürze und Trauer.
Die Frauen sind wieder unterbrochen – dieses Mal von Gott. Es gibt ein Erdbeben. Das letzte Mal, als die Erde bebte, war, als Jesus seinen letzten Atemzug tat (Mt. 27,51). Jetzt, als der Stein weggerollt wird, bebt sie erneut. Das geschieht nicht zufällig. Die Erde erzittert, wenn der Schöpfer stirbt, und sie erzittert erneut, wenn der Tod zerbrochen ist.
Die Einzelheiten des Texts sind auch eindrücklich: Ein Engel steigt vom Himmel herab, rollt den Stein weg und setzt sich darauf – wie ein Held, der nach einer gewonnenen Schlacht auf der feindlichen Festung sitzt. Seine Erscheinung ist wie ein Blitz, und seine Kleidung weiß wie Schnee. Die Wächter sind vor Angst gelähmt – sie sind wie tot! Diejenigen, die einen Leichnam bewachen sollten, sind nun zu verängstigten Leichen geworden, während der einst tote Mann frei herumläuft.
Die mutigen Frauen am Grab (Mt 28,1+8)
Maria Magdalena und die andere Maria stehen exemplarisch für Mut und Treue. Diese beiden Frauen sind Schlüsselzeuginnen des Ostergeschehens. „Die Rolle und der Wert der Frauen werden hier im christlichen Kontext hervorgehoben. Die Ostergeschichte erzählt die Botschaft mutiger Frauen in Abwesenheit niedergeschlagener und verängstigter Jünger.
Maria Magdalena und die andere Maria stehen im Zentrum der Begegnung mit dem Auferstandenen. Ihre Zeugenschaft legitimiert und stärkt die Gemeinschaft, auch wenn Ressourcen und Macht sonst oft männlich dominiert erscheinen.
Im international ökumenischen Kontext ist dies oft eine Botschaft der Befreiung: Jesus hat eine starke Verbindung zu denjenigen, die am Rand stehen: Frauen, Arbeiterinnen, Jugendliche, Kranke. Ihre Zeugniskraft ist legitimiert, nicht marginalisiert. Wer unterdrückt wird, wer gegen Widrigkeiten kämpft, wird durch Gottes Macht befreit. Die Osterbotschaft kommt zu jenen am Rand damit alle erkennen: Der Tod hat kein endgültiges Wort.
Das leere Grab ist eine Leerstelle, die auffällt (Mt 28,5)
Die Auferstehung ist kein sanfter Trost. Sie ist eine Unterbrechung – erschreckend in ihren Auswirkungen. Der Engel sagt: „Fürchte dich nicht“, aber die Angst scheint in diesem Moment am besten geeignet. Doch der bedeutungsvolle Satz in der Geschichte ist die Abwesenheit. „Er ist nicht hier“. Das ist eine Schönheit von Ostern. Der Leichnam ist verschwunden. Das Grab ist leer. Es gibt keinen Schrein, keine Reliquie, keine Gebeine. Es gibt nichts mehr zu verehren
Die Jüngerinnen finden das Grab leer vor. „Kommt und seht die Stelle, wo er lag.“ Die Angst verwandelt sich in Wunder. Die Leere des Grabes wird zum Impuls zur Erneuerung. Diese Leerstelle in ihrem Leben öffnet ihren Blick für das, was fehlt. Die Abwesenheit wird zum Ausgangspunkt neuer Wahrheiten. Dies ist eine ganz alltägliche menschliche Erfahrung von nachlaufender Wertschätzung: „erst wenn es weg ist, erkennt man den Wert dessen“.
Dies kennen wir aus unseren sozialen, familiären Beziehungen, oder wenn das Fehlen von Menschen große Lücken hinterlassen hat. Diese Beispiele aus zwischenmenschlichen Erfahrungen lassen sich auch auf andere Bereiche unseres Lebens übertragen. Wenn beispielsweise die Anzahl der nützlichen Insekten abnimmt (UN-Nachhaltigkeitsziel/SDG 15 – Leben an Land) und sie insofern eine Leerstelle hinterlassen, kommen Menschen ins Grübeln und sie fangen an, nachzufragen, wie ein nachhaltigeres Leben möglich ist. Wenn der Trinkwasserspiegel immer weiter sinkt, ist diese Leerstelle ein Impuls über nachhaltiges Wassermanagement nachzudenken. Nachhaltigkeit beginnt oft mit dem Erkennen von Leere, von Leerstellen, von Lücken: in unserer Erde, in sozialen Strukturen, in der Umwelt. Der Mangel an sauberem Wasser mahnt, dass es neue Wege braucht, um Ressourcen nicht zu verschmutzen (UN-Nachhaltigkeitsziel/SDG 6 Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen).
Mut zur Veränderung (Mt 28,5+6)
Die Frauen kommen in der Dämmerung zum Grab. Es ist abweisend und verschlossen. Dann folgt das Erdbeben, die Engelerscheinung und das Wegwälzen des Steins.
Die Botschaft des Engels ist eine Ermutigung, den Blick über das Offensichtliche hinaus zu richten. Solche Veränderungen können verstörend auf uns Menschen wirken. Die Frauen verlassen das Grab voller Furcht und großer Freude. Was für eine seltsame Kombination. So ließe sich das erste Osterfest besser beschreiben. Nicht mit fröhlicher Hochstimmung - nicht mit angenehmer Feier, sondern mit einer Ehrfurcht, die zugleich erschreckend und wunderbar ist. Die widerstreitenden Gefühle sind verwirrend. Darum reagieren wir häufig mit dem Blick zurück, mit der Hinwendung zum Vertrauten, zum Vergangenen. Mut ist nötig, um habitusverändernde Schritte zu gehen: Von einer auf Angst basierenden Haltung zu einer Haltung des Vertrauens in eine bessere Zukunft.
Am Ostermorgen wird die Angst vor Veränderung durch eine klare Botschaft überwunden: Das Leben triumphiert über den Tod. Diese grundlegend andere Haltung wendet den Blick. Um zuversichtlich in die Zukunft zu schauen, bedarf es des Mutes zur Veränderung und des Vertrauens in eine gerechtere Zukunft. Auf diese Weise kann die Zukunft nachhaltig gestaltet werden. Ohne Mut zu Veränderung bleiben Ziele unrealistisch. Das Vertrauen in die gemeinschaftliche Anstrengung ist zentral. Sei es in Bezug auf Frieden und Sicherheit (UN-Nachhaltigkeitsziel/SDG 16) oder das Ziel nachhaltigen Konsums und Produktion (UN-Nachhaltigkeitsziel/SDG 12)
Gemeinschaft statt Privatsache (Mt 28,6+7)
Das Ostergeschehen wird nicht privat erlebt, sondern in Gemeinschaft. Die Frauen gehen gemeinsam zum Grab, erhalten die Botschaft des Engels und berichten danach den Jüngern. Ostern wird so als gemeinschaftliches Ereignis verstanden, das durch Zusammenarbeit weitergetragen wird. Der Engel spricht Mut zu: „Fürchtet euch nicht; geht hin … und sagt seinen Jüngern, dass Jesus auferstanden ist.“ Die Auferstehung verlangt nach dem Zeugnis des Wortes – nicht nach dem Besitz des Wortes. Sie verlangt nach der Verkündigung des Wortes – nicht nach der Erhaltung des Wortes. Wir können nicht am Grab bleiben, dort eine Kapelle bauen und Feierabend machen. Die Auferstehung bewegt uns – sie schickt uns, die frohe Botschaft auszurichten. So wie in vielen Gemeinschaften Afrikas und Asiens die Nachricht über das, was geschehen ist, durch das Dorf, die Gemeinde und die Familie weitergetragen wird, (das geschieht durch Erzählen oder auch durch digitales Teilen) so wird auch das Ostergeschehen weitergetragen. Die Botschaft des Evangeliums wird nicht privat gehalten, sondern weitergegeben, getragen von Gemeinschaft, im Miteinander von Familie, Nachbarschaft und Kirchengemeinde.
Der Auftrag, die Jünger zu treffen, sich zu verabreden, das Evangelium in der Welt zu verkünden, wird in vielen international ökumenischen Kontexten als Ruf zur Sendung/zur Mission (missio = Sendung) verstanden: nicht nur geografisch, sondern auch sozial. Jesus begegnet ihnen – nicht in Herrlichkeit - nicht über der Erde schwebend, sondern auf der Straße. Und seine Worte sind einfach – „seid gegrüßt“! Keine liturgische Verkündigung - nur ein „Hallo“! Der auferstandene Christus begegnet ihnen auf dem gewöhnlichen Weg des Glaubens, wo die Verkündigung bereits begonnen hat. Der Auftrag die Botschaft der Auferstehung zu leben, zu teilen und praktisch zu helfen, beginnt im Kleinen und wächst in die Gemeinschaft hinein. Es geht darum, das Leben der Menschen in ganzheitlichem Sinne zu berühren, durch Taten der Barmherzigkeit, Bildung, Gesundheitsversorgung. Dazu gehören auch fairer Handel und politische Teilhabe. Die Botschaft von Ostern fordert uns heraus, Brücken zu bauen, Konfessionen zu überwinden und eine inklusive Gemeinschaft zu schaffen, die die Würde aller Menschen anerkennt.
Gemeinschaft trotz Enttäuschung (Mt 28,10)
Jesus wiederholt die Botschaft des Engels und bestätigt sie: „Fürchtet euch nicht. Geht hin und sagt es meinen Brüdern …“ Beachtenswert ist hier der Ausdruck von Zärtlichkeit des auferstandenen Jesus Christus. Er sagt: „meinen Brüdern“ – „meinen Schwestern“. Das sind diejenigen, die ihn im Stich gelassen haben. Das sind diejenigen, die geflohen sind. Jesus nennt sie nicht Feiglinge, nicht Deserteure, nicht Feinde, nicht Verräter, nicht Dummköpfe. Er nennt sie Schwestern und Brüder – sie sind Geschwister – sie sind eine Familie. Die Auferstehung benennt die Beziehungen um – sie definiert die Beziehung neu.
Schluss
Er ist nicht hier. Er ist auferstanden. Und nichts – nicht der Tod, nicht das Verstehen, nicht das römische Reich, auch nicht die Schwachheit und Enttäuschung– mit Jesus wird es nie wieder dasselbe sein. Die Ostergeschichte ist mehr als ein religiöses Ereignis; sie dient als Symbol dafür, dass Veränderung möglich ist, wenn Menschen gemeinsam handeln. Übertragen auf Nachhaltigkeit bedeutet das: Leere, Angst und Stillstand müssen wir nicht akzeptieren. Wir können im Glauben an eine lebenswerte Zukunft handeln – heute, gemeinsam und verantwortungsvoll, zum Wohl aller Lebewesen und der kommenden Generationen. Die Ostergeschichte ruft dazu auf, Leere (Leerstellen) nicht zu ignorieren, sondern sie als Anstoß zu nehmen: für Gerechtigkeit, Umweltverantwortung, Bildung, Frieden und nachhaltige Entwicklung. So kann der Glaube zu konkretem Handeln führen, das die Welt heute besser macht und auch für kommende Generationen lebenswert hält.
Gebet: Gott der Befreiung, schenke uns den Mut, deine Osternachricht zu hören, zu glauben und weiterzugeben. Lass uns Gemeinschaft gestalten, in der jeder Mensch Würde und Hoffnung findet, besonders jene am Rand. Durch Jesus Christus, der auferstanden ist. Amen.
Yoram Karusya, Regionaler Dienst der VEM, Niederrhein, und
Matthias Schmid, Regionaler Dienst der VEM, Bergisches Land